Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahrung der Betriebsverfassung
Leitsatz (amtlich)
Firmeneigene, mehr oder minder von Arbeitgeber gesponsorte”, betriebsratsersetzende und insbesondere Gewerkschaften aus dem Betrieb ausgrenzende „Firmensprecher”-Gremien sind rechtswidrig.
Normenkette
BetrVG § 1 ff.
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Beschluss vom 27.11.1989; Aktenzeichen 6 BV 7/89) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 27.11.1989 – 6 BV 7/89 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Bestellung eines Wahlvorstandes zur Einleitung und Durchführung einer (einheitlichen) Betriebsratswahl in den beiden Betriebsbereichen der Antragsgegnerin (AGg.) in … und …
Wegen des hierzu erstinstanzlich festgestellten Streitstoffs wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses – zugleich auch wegen des erstinstanzlichen Antrages – Bezug genommen (Bl. 56, 57 d. A.).
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der … (ASt.) aus den im einzelnen aus Bl. 57–59 d. A. ersichtlichen Gründen stattgegeben.
Mit ihrer hiergegen verspätet eingelegten Beschwerde verfolgt die AGg. – gestützt auf einen Wiedereinsetzungsantrag wegen der versäumten Beschwerdefrist – ihr auf Antragszurückweisung gerichtetes Verfahrensziel weiter. Sie meint, der Antrag sei – was das Erstgericht nicht richtig gesehen habe – schon unzulässig, weil die … im Betrieb der AGg. nicht (mehr) vertreten sei. Auch sei der Antrag unbegründet, weil – nach Verkündung der erstgerichtlichen Entscheidung – eine Betriebsversammlung einstimmig einen Wahlvorstand zur Wahl von Firmensprechern bestellt und sodann die Belegschaft am 8. Dezember 1989 ein Gremium aus 3 Firmensprechern gewählt habe. Danach bedürfte es im Betrieb der AGg. keines Betriebsrats mehr.
Die ASt. bittet um Zurückweisung der Beschwerde und verteidigt den angefochtenen Beschluß. Sie behauptet, nach wie vor im Betrieb der AGg. vertreten zu sein. Sie meint, die AGg. habe keinen Anspruch auf Einhaltung gewerkschaftseigener Ortsstatuten, zumal ihre Bevollmächtigten ordnungsgemäß vom Hauptvorstand der … beauftragt und bevollmächtigt seien. Im übrigen könne eine Firmensprecherwahl die Wahl eines Betriebsrats nach dem BetrVG nicht verhindern.
Die ASt. hat im Beschwerdetermin eine notarielle Erklärung des Notars … zu den Akten gereicht, für deren Einzelheiten auf Bl. 127, 128 d. A. Bezug genommen wird.
Ergänzend wird auf den im Beschwerderechtszug entstandenen Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist überwiegend zulässig aber – soweit sie zulässig ist – unbegründet.
Die Beschwerderichter folgen dem Erstgericht im Ergebnis und teilweise auch in den Gründen der Entscheidung.
A
Die Beschwerde ist überwiegend zulässig.
Der AGg. war gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Sie war ohne ihr Verschulden gehindert, die Beschwerdefrist einzuhalten (§ 233 ZPO).
1. a) Grundsätzlich bleiben die Beschwerderichter bei dem früher schon bezogenen Standpunkt der erkennenden Kammer, wonach ein Anwalt, der im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht für eine das Rechtsmittel korrekt bezeichnende Adressierung der Rechtsmittelschrift Sorge trägt, für seine Mandantschaft keine Wiedereinsetzung wegen Fristversäumung unter dem Aspekt, er habe sich auf die „normalen” Postlaufzeiten verlassen können, erhalten kann. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren trägt eine Partei grundsätzlich das Risiko der Verlängerung der Postlaufzeiten, wenn dies auf einer unzureichenden Adressierung der Rechtsmittelschrift beruht (LAG Frankfurt, B. v. 21.06.1990 – 12 Sa 81/90 – unter Berufung auf: BAG, U. v. 02.06.1987 – 3 AZR 692/85 – AP Nr. 13 zu § 233 ZPO 1977).
b) Versagen aber die Einrichtungen und Vorkehrungen der Deutschen Bundespost, so hat das der Bürger, der darauf keinen Einfluß hat, unter dem Blickpunkt seines Rechts auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu vertreten (BVerfG 54, 80 (84)).
c) Im Streitfall ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze die Ursächlichkeit der unvollständigen Adressierung der Beschwerdeschrift einerseits gegen die von der AGg. durch Postauskunft (Bl. 87 d. A.) belegten streikbedingten Briefabgangsbearbeitungsrückstände in der für den AGg.-Vertreter zuständigen Briefabgangsstelle (Streik vom 2. Mai 1990 18.00 Uhr bis zum 3. Mai 1990 6.00 Uhr) andererseits abzuwägen.
aa) Dabei ist auch die Postlaufzeit der ebenfalls ohne Postfach-Nummer und Straßenbezeichnung vom AGg.-Vertreter auf den Weg gebrachten Beschwerdebegründung mit 2 Tagen (Einwurf am 30. Mai 1990 (Bl. 70 d. A.) und Eingang beim Landesarbeitsgericht am 1. Juni 1990 (Bl. 70 d. A.) mitzuberücksichtigen.
bb) Ebenfalls ist für die Kausalitätsprüfung beachtlich, daß nach Auskunft der OPD Frankfurt auch in den Frankfurter Postämtern in der Zeit vom 2. bis 11. Mai 1990 „erhebliche Verzögerungen in der Postverteilung” aufgetreten ...