Entscheidungsstichwort (Thema)

Art der Weiterbeschäftigung muss aus Titel erkennbar sein. Pflicht zur Erkennbarkeit des Umfangs der Zwangsvollstreckung nicht aus Schriftstücken außerhalb

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Prüfung, welche Verpflichtungen durch einen Vollstreckungstitel festgelegt werden, kann grundsätzlich nur auf diesen selbst, nicht dagegen auf andere Schriftstücke zurückgegriffen werden. Handelt es sich bei dem Titel um ein Urteil, können nach dessen vollständiger Zustellung Tatbestand und Entscheidungsgründe zur Auslegung des Titels herangezogen werden. Weiter ist zu berücksichtigen, dass § 313 Abs. 2 ZPO die Verweisung auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ausdrücklich vorsieht. Soweit das Gericht davon Gebrauch gemacht hat, sind diese Unterlagen deshalb als Teil des vollstreckbaren Titels zu betrachten und können zur Auslegung herangezogen werden (BAG 15. April 2009 - 3 AZB 93/08 - NZA 2009, 917 ff.).

Im Übrigen können die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung aber auch gegeben sein, wenn zwischen den Parteien unstreitig ist, zu welchen Arbeitsbedingungen die Weiterbeschäftigung erfolgen soll (Germelmann/Matthes/Prütting/Schleusener 9. Aufl. § 62 ArbGG Rn. 62 mwN.).

Es ist nicht Aufgabe der Beschwerdekammer, das erstinstanzliche Urteil vor dem Hintergrund einer Folgekündigung und eines Auflösungsantrags einer materiellrechtlichen Prüfung zu unterziehen. Aufgabe des Vollstreckungsverfahrens ist es zu klären, ob der Schuldner einer festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin die Verpflichtung besteht und ob das Urteil zu Recht ergangen ist (BAG 15. April 2009 - 3 AZB 93/08 - NZA 2009, 917 ff.). Das hat zur Folge, dass alle Umstände, die schon vor Urteilserlass eingetreten, im Erkenntnisverfahren vorgetragen und vom Gericht im Rahmen der Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsanspruch gewürdigt worden sind bzw. von der Schuldnerin hätten vorgebracht werden können, im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens unbeachtlich sind (HessLAG 17. Oktober 2013 - 12 Ta 300/13 - nv. juris mwN.; HessLAG 22. Januar 2014 - 12 Ta 366/13 - nv.). Nachträglich entstandene Einwendungen gegen den durch das erstinstanzliche Urteil festgestellten Anspruch können nur mit der Berufung oder im Wege der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO geltend gemacht werden (LAG Rheinland-Pfalz 1. September 2010 - 8 Ta 197/10 - nv. juris). Der Ausspruch einer Kündigung ist lediglich als materiell-rechtlicher Einwand gegen die ausgeurteilte Beschäftigungspflicht geeignet, der im Erkenntnisverfahren zu überprüfen ist. Der Vollstreckbarkeit des Titels kann die erneute Kündigung erst entgegenstehen, wenn ihre Wirksamkeit und damit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtskräftig festgestellt sind (Hess LAG 16. Juli 2010 - 12 Ta 68/10 - nv. juris).

 

Normenkette

ZPO §§ 888, 750

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 31.10.2018; Aktenzeichen 2 Ca 5310/17)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Oktober 2018 - 2 Ca 5310/17 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Schuldnerin (im Folgenden: Beklagte) ist durch Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11. April 2018 - 2 Ca 5310/17 - verurteilt worden, die Gläubigerin (im Folgenden: Klägerin) bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Assistant Site Manager in der Abteilung Secretary weiterzubeschäftigen.

In dem Kündigungsschutzverfahren - 2 Ca 5310/17 - streiten die Parteien u.a. über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung vom 24. Juli 2017. In dem bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht in der Berufung unter dem Az. 7 Sa 694/18 geführten Rechtsstreit ist Kammertermin auf den 20. Mai 2019 anberaumt worden. Zur Durchsetzung des Weiterbeschäftigungstitels hat die Klägerin bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main mit Schriftsatz vom 17. Juli 2018 die Festsetzung von Zwangsmitteln gegen die Beklagte beantragt.

Der Klägerin wurde ab dem 4. Juni 2018 von der Beklagten ein jedenfalls angemieteter und unrenovierter Büroraum, in dem zunächst kein Netzwerk und kein Telefon vorhanden waren, als Arbeitsplatz zugewiesen, der sich abseits des Hauptgebäudes befand. Als Arbeitsaufträge wurden ihr u.a. die Übersetzung einer Broschüre aus der englischen Sprache und die Zuteilung gescannter Personaldokumente aus den Jahren 1975 bis 2015 zu den jeweiligen Mitarbeiterakten zugewiesen.

Die Klägerin erschien ab dem 6. August 2018 nicht mehr im Betrieb der Beklagten und teilte dieser mit E-Mail vom selben Tag u.a. mit, dass sie dieser nach juristischer Beratung sowie in Abstimmung mit der Arbeitsagentur das Weisungs- und Direktionsrecht entziehe. Hierauf kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin vorsorglich mit Schreiben vom 20. August 2018 fristlos und mit Schreiben vom 24. August 2018 hilfsweise fristgerecht.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 31. Oktober 201...

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