Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Höchstüberlassungsgrenze vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung. Keine dauerhafte Substituierung. Zur konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung. Laufzeit der Anstellung beim Verleiher muss Dauer des Verleihs an Entleiher deutlich überschreiten
Leitsatz (amtlich)
1. Dem Begriff der "vorübergehenden" Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG ist keine feste Höchstüberlassungsgrenze zu entnehmen.
2. Er steht jedoch einer dauerhaften Substituierung von Stammarbeitskräften durch Leiharbeitnehmer entgegen.
3. Weiter muss die Laufzeit der Anstellung des Leiharbeitnehmers beim Verleiher die Dauer des Verleihs des Arbeitnehmers an einen Entleiher deutlich überschreiten. Dazu genügt bei einer einjährigen Überlassung eine um drei Monate längere befristete Anstellung beim Verleiher nicht.
4. Die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung mit Hilfe konzerneigener Personalservicegesellschaften ist zulässig.
Normenkette
BetrVG §§ 99-100; AÜG § 1; ArbGG § 89; TzBfG § 14 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 11.10.2012; Aktenzeichen 3 BV 8/12) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2.) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 11. Oktober 2012 - 3 BV 8/12 - wird hinsichtlich der Wideranträge als unzulässig verworfen.
Im Übrigen wird der Beschluss zum Teil abgeändert:
Die Anträge der Antragstellerin werden zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird hinsichtlich der Anträge der Antragstellerin gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG zugelassen.
Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über zwei Einstellungen.
Die antragstellende Arbeitgeberin ist Teil des A-konzerns. Sie betreibt unter anderem ein Krankenhaus in B, in dem sie regelmäßig weit mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Diese werden von dem zu 2) beteiligten Betriebsrat repräsentiert. Zu dem Konzern gehören auch mehrere Zeitarbeitsunternehmen, unter anderem die C GmbH (nachfolgend Firma C) und die Firma D GmbH (Firma D). Beide verfügen über eine Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Die Arbeitgeberin entlieh von der Firma C bisher 120 Arbeitnehmer und von der Firma D 78 Arbeitnehmer.
Im Mai 2012 fielen auf Grund von längerfristigen Erkrankungen unter anderem die fünf Hebammen bzw. Krankenschwestern E, F, G, H und I aus. Zudem kam es zu weiteren Ausfällen im Pflegebereich durch Erkrankungen, Mutterschutz oder Elternzeit bzw. wurden derartige Ausfälle von der Arbeitgeberin prognostiziert. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten der Personalplanung der Arbeitgeberin wird auf die Seiten 3 bis 8 des Schriftsatzes vom 30. April 2013 (Bl. 347 - 353 d. A.) Bezug genommen.
Die Arbeitgeberin schrieb unter dem 29. März 2012 Stellen für examinierte und nicht examinierte Aushilfen für die Normalpflegestationen aus. Sie entschloss sich, die beiden vom vorliegenden Verfahren betroffenen Arbeitnehmerinnen J und K ab dem 01. Juni 2012 für die Dauer von einem Jahr zu entleihen. Frau J ist Arbeitnehmerin der Firma C und war von der Arbeitgeberin bereits in der Zeit vom 01. September 2011 bis zum 31. Mai 2012 entliehen worden. Grundlage ihrer Beschäftigung war der in der Anlage AST 11 zum Schriftsatz vom 04. März 2013 (Bl. 314 - 318 d. A.) ersichtliche befristete Arbeitsvertrag vom 19. August/15. September 2011, in dem eine Laufzeit des Vertrages vom 01. September 2011 bis zum 30. Mai 2012 vereinbart worden war. Dieser Vertrag wurde zwischenzeitlich bis 31. August 2013 verlängert. Gemäß dem Vertrag ist Frau J als nicht examinierte Aushilfe auf der Basis geringfügiger Beschäftigung tätig. Frau K ist Arbeitnehmerin der Firma D und wurde von dieser auf Grund des in der Anlage AST 16 (Bl. 323 - 327 d. A.) ersichtlichen Arbeitsvertrags vom 30./31. Mai 2012 befristet für die Zeit vom 01. Juni 2012 bis 31. Mai 2013 eingestellt. Ihr wurde inzwischen eine Vertragsverlängerung bis 31. August 2013 angeboten. Gemäß dem Vertrag ist sie als examinierte Aushilfe mit 21 Wochenstunden tätig. Beide Arbeitsverhältnisse richten sich nach den vom Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e. V. mit den Gewerkschaften des DGB geschlossenen Tarifverträgen.
Die Arbeitgeberin unterrichtete den Betriebsrat über die Verlängerung der Einstellung von Frau J und mit einem am selben Tag zugegangenen Schreiben von 23. April 2012 sowie über die Einstellung von Frau K mit einem am selben Tag zugegangenen Schreiben vom 14. Mai 2012. Die die Erklärungen der C und der D gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 AÜG enthaltenden Arbeitnehmerüberlassungsverträge lagen dem Betriebsrat zu diesen Zeitpunkten vor. Der Betriebsrat widersprach den Maßnahmen mit zwei im wesentlichen gleichlautenden Schreiben gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG mit der Begründung, mangels Betriebsorganisation der Verleiher liege nur eine "Schneileihe" vor. Zudem handele es sich entgegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht um eine vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung, da für die mit den betroffenen Arbeitne...