Entscheidungsstichwort (Thema)
Widereinsetzung in den vorherigen Stand; Versäumung der Berufungsfrist; Sorgfaltspflichten bei Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax
Leitsatz (amtlich)
Ein Rechtsanwalt, der sich zur Übermittlung fristwahrender Schriftsätze am letzten Tag der Frist eines Telefaxgerätes bedient, genügt seiner Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, nicht schon allein dadurch, dass er eine zuverlässige Bürokraft beauftragt, den bereits unterschriebenen, aber an das falsche Gericht adressierten Berufungsschriftsatz in der Adresse zu korrigieren und an das zuständige Gericht zu faxen. Er muss vielmehr zusätzlich und unmissverständlich anordnen, dass im Anschluss an den Sendevorgang ein Sendebericht des Gerätes erstellt und anhand der dort ersichtlichen Daten die ordnungsgemäße Übermittlung überprüft wird. Unterlässt der Rechtsanwalt diese Anordnung und faxt die Bürokraft den Schriftsatz weisungswidrig ohne Änderung versehentlich an das falsche Gericht, kann gegen die Versäumung der Berufungsfrist keine Wiedereinsetzung gewährt werden, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei pflichtgemäßer Anordnung die zuverlässige Bürokraft den Sendebericht überprüft und dabei die falsche Adressierung/Faxnummer bemerkt hätte (im Anschluss an BAG v. 30.03.1995 BAGE 79, 379 und BGH v. 24.03.1993 NJW 1993, 1655).
Leitsatz (redaktionell)
Hinweis der Geschäftsstelle
Das Bundesarbeitsgericht bittet, sämtliche Schriftsätze in siebenfacher Ausfertigung bei ihm einzureichen.
Normenkette
ArbGG § 66 Abs. 1; ZPO §§ 515, 519 b, 233
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 30.11.1999; Aktenzeichen 1 Ca 730/99) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 50. November 1999 – 1 Ca 730/99 – wird unter Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Die sofortige Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat den Beklagten durch am 30. November 1999 verkündetes Urteil, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, zur Zahlung von 27.697,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 13. Juli 1999 verurteilt. Dieses Urteil ist dem Beklagten zu Händen seines Prozessbevollmächtigten am 2. Dezember 1999 zugestellt worden. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte mittels eines von seinem Prozessbevollmächtigten unterschriebenen Schriftsatzes vom 3. Januar 2000 (Montag) Berufung eingelegt. Dieser Schriftsatz war mit dem Vermerk „VORAB PER FAX-NR: 354206” (Fax-Nr. des Landgerichts Wiesbaden) adressiert an das
„Landgericht
– Berufungskammer –
Gerichtsstraße 2
65185 Wiesbaden”
und ging am 3. Januar 2000 per Telefax beim Landgericht Wiesbaden ein. Das Landgericht leitete das Telefax an das Arbeitsgericht Wiesbaden weiter, wo es am 5. Januar 2000 einging. Mit Verfügung vom 6. Januar 2000 veranlasste der Kammervorsitzende des Arbeitsgerichts unter gleichzeitiger Benachrichtigung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten die Übersendung des Telefaxschreibens nebst Prozessakte an das Landesarbeitsgericht, wo diese am 12. Januar 2000 einging. Der am 14. Januar 2000 im Original beim Landgericht eingegangene Berufungsschriftsatz wurde wiederum an das Arbeitsgericht weitergeleitet und ging von dort aus am 19. Januar 2000 beim Landesarbeitsgericht ein.
Mit dem am 17. Januar 2000 per Telefax bei Gericht eingegangen Schriftsatz vom 17. Januar 2000 hat der Beklagte
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
beantragt und die erneut eingelegte Berufung begründet.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat der Beklagte unter Glaubhaftmachung vorgetragen, der verspätete Eingang der Berufungsschrift beruhe nicht auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten. Dieser habe am Morgen des 3. Januar 2000 (Tag des Fristablaufs) die seit Herbst 1996 in seinem Büro regelmäßig, zunächst als studentische Hilfskraft aushilfsweise tätige Rechtsreferendarin P., die als außerordentlich zuverlässig und verantwortungsbewusst bekannt und im Umgang mit Fristsachen auch vertraut sei, fernmündlich gebeten, mit Hilfe des Beck'schen Prozessformularbuches eine Berufungsschrift zu entwerfen, da er an diesem Tag mehrere Termine außer Haus habe wahrnehmen müssen. Die Referendarin habe dann dem Prozessbevollmächtigten gegen Mittag den Entwurf vorgelegt, der inhaltlich richtig gewesen, aber fälschlich im Adressfeld das Landgericht Wiesbaden angegeben habe. Der Prozessbevollmächtigte, der wiederum einen Termin außer Haus wahrzunehmen gehabt habe, habe daraufhin die Referendarin angewiesen, die Adresse auf Seite 1 der Berufungsschrift zu berichtigen und das erste Blatt sodann auszutauschen. Da der Inhalt des Entwurfes im übrigen richtig und der Prozessbevollmächtigte in Eile gewesen sei, habe er das zweite Blatt der Berufungsschrift mit seiner Unterschrift versehen, verbunden mit der Weisung, wie dargelegt zu verfahren und den Schriftsatz sodann per Telefax an das Landesarbeitsgericht zu...