Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen i.R.v. Urlaubsabgeltungsansprüchen eines Geschäftsführers aufgrund der Beendigung des Anstellungsverhältnisses
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur Begründung der Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten genügt bei Vergütungsansprüchen, die auch aufgrund eines Dienstvertrags gemäß § 611 BGB bestehen könnten,die bloße Rechtsansicht des Klägers nicht aus, Arbeitnehmer gewesen zu sein. 2. Die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses entfällt ausnahmsweise nur dann, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen von § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG ergangen anzusehen ist, weil er auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beruht.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3a
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 06.05.2021; Aktenzeichen 4 Ca 112/21) |
Nachgehend
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 6. Mai 2021 - 4 Ca 112/21 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Urlaubsabgeltungsansprüche der Klägerin.
Die Klägerin ist auf Basis des "Geschäftsführervertrag" vom 12. August 2016 (Blatt 5 bis 12 der Akte) als Geschäftsführerin für die Beklagte in der Zeit vom 01. Oktober 2016 bis zum 29. Januar 2020 tätig geworden. Die Klägerin hat zum 29. Januar 2020 ihr Anstellungsverhältnis gekündigt und zugleich ihr Amt als Geschäftsführerin niedergelegt. Am 10 Februar 2020 ist sie als Geschäftsführerin im Handelsregister ausgetragen worden (insoweit wird auf die Anlage K2, Bl. 13 d. A. Bezug genommen).
Mit Schreiben vom 08. April 2020 hat die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von Urlaubsabgeltung in Höhe von 6.346,23 Euro brutto "aufgrund der Beendigung des Anstellungsverhältnisses" gefordert, wegen des Schreibens wird auf die Anlage K3, Bl. 14f d. A. Bezug genommen.
In einem Vorprozess (dessen Akten zu Informationszwecken beigezogen worden sind) hat die Klägerin mit am 20. Mai 2020 beim Landgericht Wiesbaden eingegangen Schriftsatz gemäß § 57 ZPO beantragt, für die damalige Antragsgegnerin und hiesige Beklagte einen Prozesspfleger für ein beabsichtigtes Klageverfahren wegen Ansprüchen auf Urlaubsabgeltung aus dem gekündigten und zum 29. Januar 2020 beendeten Anstellungsverhältnis als Geschäftsführerin zu bestellen. Nachdem das Landgericht Wiesbaden den Antrag zunächst, mangels "Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit" zurückgewiesen hat, hat es auf die sofortige Beschwerde der Klägerin mit Beschluss vom 29. September 2020 den Rechtsweg zu den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und die Sache an das Arbeitsgericht Wiesbaden verwiesen. Es hat dies damit begründet, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht unmittelbar aus dem Geschäftsführervertrag folge. Ein Abgeltungsanspruch ergebe sich aus der Verweisung in dessen § 6 auf § 7 Abs. 4 BUrlG. § 7 Abs. 4 BUrlG setze ein Arbeitsverhältnis voraus. Auch § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG stehe dieser Zuständigkeit nicht entgegen. Nach dem Inhalt des vorgelegten Geschäftsführervertrages, wegen der Rechenschaftspflicht der Beklagten gegenüber einem Dritten und ihrer Weisungsgebundenheit, sei für die Annahme eines Geschäftsführerdienstvertrages kein Raum, wegen der Einzelheiten des Beschlusses wird auf Bl. 97ff der beigezogenen Akte (Az.: 6 AR 4/20 Arbeitsgericht Wiesbaden) Bezug genommen. Nachdem diese Akte beim Arbeitsgericht Wiesbaden eingegangen und die schriftliche Zustimmung der Beteiligten vorgelegen hat, hat die Kammer 6 des Arbeitsgerichts Wiesbaden unter dem Az: 6 AR 4/20 mit Beschluss vom 03. Februar 2021 Herrn Rechtsanwalt A gemäß § 57 ZPO als Prozesspfleger für die jetzige Beklagte bestellt.
Mit am 09. April 2021 bei dem Arbeitsgericht Wiesbaden eingegangen, der Beklagten am 16. April2021 zugestellten Klage, verfolgt die Klägerin unter dem Az.: 4 Ca 112/21 ihr Begehren auf Urlaubsabgeltung weiter.
Sie hat behauptet, ihr stünden aus dem beendeten Anstellungsverhältnis noch insgesamt 33 Urlaubstage zu, nämlich sieben Urlaubstage aus 2018, 24 Urlaubstage aus 2019 und zwei Urlaubstage aus 2020. Sie hat die Rechtsauffassung vertreten, dass der rechtskräftige Beschluss des Landgerichts Az.: 9 O 1023/20 vom 29. September 2020 bindende Wirkung gemäß § 17a Abs. 2 S. 3 ArbGG entfalte.
Sie hat angekündigt zu beantragen,
die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Urlaubsabgeltung in Höhe eines Betrages von 6.346,23 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von jährlich fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 01. Februar 2020 zu zahlen.
Die Beklagte hat keinen Antrag angekündigt und sich auch nicht zur Klage eingelassen.
Mit Beschluss vom 28. März 2021 hat das Arbeitsgericht Wiesbaden darauf hingewiesen, dass der Beschluss des Landgerichts Wiesbaden, Az.: 9 O 1023/20 vom 29. September 2020 hinsichtlich des Rechtswegs nicht bindend sei, zu...