Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgeld. Anordnung des persönlichen Erscheinens. Entsendung eines Vertreters
Leitsatz (redaktionell)
Das Scheitern von Vergleichsverhandlungen im Gütetermin rechtfertigt für sich nicht die Verhängung eines Ordnungsgelds gegen die fehlende, zum persönlichen Erscheinen geladene Partei.
Orientierungssatz
Die Möglichkeit der Anordnung des persönlichen Erscheinens und die Beschränkung der Zulässigkeit der Entsendung von Vertretern dient nicht der Erzwingung eines den Vorstellungen des Gerichts entsprechenden Vergleiches.
Normenkette
ArbGG § 51 Abs. 1 S. 2; ZPO § 141 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Kassel (Beschluss vom 19.11.2009; Aktenzeichen 2 Ga 3/09) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 19. November 2009 – 2 Ga 3/09 – aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 100 Euro.
Der Beschwerdeführer ist ein Vorstandsmitglied der in F ansässigen Verfügungsbeklagten des Ausgangsverfahrens, einer Bank mit knapp 100 Filialen in Deutschland. Die Verfügungsbeklagte wird in diesem Verfahren von der Verfügungsklägerin auf deren Beschäftigung in der Filiale K in Anspruch genommen. Der Beschwerdeführer erschien trotz der Anordnung seines persönlichen Erscheinens im Kammertermin vom 12. November 2009 nicht. In diesem sollte der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers die Verfügungsbeklagte sowie den Beschwerdeführer vertreten. Dieser betreut die Verfügungsbeklagte seit etwa zehn Jahren arbeitsrechtlich. Er war – im Gegensatz zum Beschwerdeführer, dem die Verfügungsklägerin unbekannt ist – in die Auseinandersetzung der Parteien des Ausgangsverfahrens von Beginn an eingebunden und führte die vorgerichtliche Korrespondenz der Verfügungsbeklagten. Er ist generell zum widerrufslosen Abschluss gerichtlicher Vergleiche bevollmächtigt. Wegen eines Todesfalles in der Familie des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers übernahm ein anderer Rechtsanwalt aus dessen Kanzlei die Sitzungsvertretung. Aufgrund des Termins erließ das Arbeitsgericht ein dem Antrag der Verfügungsklägerin zum Teil stattgebendes Urteil. Daneben setzte es das angefochtene Ordnungsgeld fest.
Der Beschwerdeführer legte gegen den am 23. November 2009 zugestellten Beschluss am 23. November 2009 sofortige Beschwerde ein. Er rügt, der die Verfügungsbeklagte im Termin vom 12. November 2009 vertretende Rechtsanwalt sei umfassend instruiert und bevollmächtigt gewesen. Der Sachverhalt sei zwischen den Parteien unstreitig gewesen. Das Arbeitsgericht habe keine Fragen gestellt, die der Sitzungsvertreter nicht habe beantworten können. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten seien als Vertreter im Sinne von § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht in Betracht gekommen. Ein Vergleichsgespräch, das darauf habe abzielen können, eine über den Streitgegenstand des Verfahrens hinausgehende Lösung des Konfliktes der Parteien zu finden, sei nur sehr eingeschränkt möglich gewesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde ist begründet. Ein Ordnungsgeld konnte gegen den Beschwerdeführer aufgrund dessen Nichterscheinens im Termin vom 12. November 2009 nach §§ 51 Abs. 1 Satz 2 ArbGG, 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht festgesetzt werden, da dieser einen Vertreter entsandt hatte, der zur Aufklärung des Tatbestands in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsschluss, ermächtigt war.
Nicht zu beanstanden ist allerdings die Ausübung des dem Arbeitsgericht durch § 51 Abs. 1 Satz 1 ArbGG zugewiesenen Ermessens bei der Anordnung des persönlichen Erscheinens des Beschwerdeführers. Auch wenn naheliegenderweise davon auszugehen war, dass der Beschwerdeführer als Vorstandsvorsitzender der Verfügungsbeklagten mit dem Streitfall nicht näher vertraut war, war die Anordnung seines persönlichen Erscheinens geeignet, den mit §§ 51 Abs. 1 ArbGG, 141 ZPO verfolgten Zweck der Förderung der Sachaufklärung und der Chancen auf eine gütliche Einigung zu dienen, insbesondere wegen der ihm nach § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO zur Verfügung stehenden Möglichkeit, einen besser unterrichteten Vertreter zu entsenden. Unzutreffend ist jedoch die Annahme des Arbeitsgerichts, der die Sitzungsvertretung wahrnehmende Rechtsanwalt sei kein geeigneter Vertreter im Sinne von § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO gewesen.
Nach der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Beschwerdekammer sind eine zum persönlichen Erscheinen geladene Partei vertretende Rechtsanwälte nicht von vornherein als Vertreter in diesem Sinne ungeeignet. Sie müssen allerdings über Kenntnisse von den den Gegenstand des Rechtsstreits bildenden Vorgängen und den betrieblichen Verhältnissen verfügen, die denen der persönlich geladenen Partei entsprechen und gleichzeitig in einem solchen Umfang bevollmächtigt sein, dass sie ü...