Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschließung eines bereits als Vorsitzender abgewählten Mitglieds des Betriebsrats wegen grober Pflichtverletzung

 

Leitsatz (amtlich)

Unbegründete Anträge der Arbeitgeberin und des Betriebsrats auf Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat.

Handelt der Betriebsratsvorsitzende, ohne dass ein entsprechender Beschluss gefasst wurde, oder gibt er in einer Angelegenheit gar eine dem Beschluss des Betriebsrats widersprechende Erklärung ab, so kann dies eine seinen Ausschluss rechtfertigende grobe Pflichtverletzung darstellen.

Sind solche Alleingänge nicht mehr zu befürchten, weil der Betreffende als Vorsitzender abgewählt worden ist und seine Wiederwahl in der laufenden Amtsperiode ausgeschlossen erscheint, liegt ein Ausschlussgrund im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG nicht vor.

Ist in einer Sitzungsniederschrift nach § 34 BetrVG die Beschlussfassung des Betriebsrats protokolliert, so ist wegen des diesbezüglichen hohen Beweiswerts eine Beweisaufnahme über einen gleichwohl behaupteten Alleingang des Vorsitzenden nur angezeigt, wenn nach dem Vortrag des Antragstellers der Beweiswert erschüttert bzw. der Vortrag für die Führung des Gegenbeweises geeignet ist.

 

Normenkette

BetrVG § 23 Abs. 1, § 34

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 16.02.2016; Aktenzeichen 24 BV 183/15)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 5. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Februar 2016 - 24 BV 183/15 - abgeändert.

Die Anträge der Beteiligten zu 1. und 2. sowie des Beteiligten zu 4. werden zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über den Ausschluss des Beteiligten zu 5. aus dem Betriebsrat.

Die zu 1. und 2. beteiligten Arbeitgeberinnen sind Reisebusunternehmen. Sie betreiben einen Gemeinschaftsbetrieb, in dem sie mehrere hundert Arbeitnehmer beschäftigen. Der Beteiligte zu 4. ist der für diesen Gemeinschaftsbetrieb gewählte Betriebsrat. Der Beteiligte zu 5. war bis zu seiner - nach Einleitung des vorliegenden Verfahrens erfolgten - Abwahl Vorsitzender des Betriebsrats.

Die Beteiligte zu 1. unterrichtete den Betriebsrat mit Schreiben vom 27. August 2014 (BI. 58 ff. d. A.) darüber, dass die Geschäftsführung infolge des Auslaufens des Mietvertrags in A zum 30. November 2014 die Entscheidung getroffen habe, dass die bislang auf der dort angemieteten Fläche abgestellten Busse künftig am Standort B abgestellt werden mit der Folge, dass die betroffenen sechs Arbeitnehmer, darunter der Beteiligte zu 5., ihren Dienst nunmehr am Standort B aufnehmen und beenden. Sie wies in dem Schreiben darauf hin, dass diese organisatorische Veränderung nach ihrer Auffassung nicht als Versetzung zu qualifizieren sei und sie den Betriebsrat daher, sollte dieser anderer Auffassung sein, nur vorsorglich um dessen Zustimmung zur Veränderung des Ortes der Aufnahme und Beendigung des Dienstes der Mitarbeiter bitte. Am 10. September 2014 fand eine Sitzung des Betriebsrats statt, zu der der Beteiligte zu 5. mit Schreiben vom 8. September 2014 (Bl. 186 d. A.) geladen hatte. In dem Sitzungsprotokoll (Bl. 185 d. A.) ist zu dem Tagesordnungspunkt "Beabsichtigte Versetzung ..." vermerkt: "BR seitgegeben bis 29.09.2014". Mit Schreiben vom 11. und 12. September 2014 (BI. 70 f. d. A.) teilte der Beteiligte zu 5. der Beteiligten zu 1. mit, dass der Betriebsrat vorsorglich beschlossen habe, den Versetzungsanträgen seine Zustimmung zu verweigern. Die Beteiligte zu 1. leitete daraufhin mit Schriftsatz vom 17. September 2014 das bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 19 BV 643/14 geführte Zustimmungsersetzungsverfahren ein. Mit Beschluss vom 5. Februar 2015 stellte das Arbeitsgericht unter Zurückweisung des Zustimmungsersetzungsantrags fest, dass die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung der betreffenden Mitarbeiter vom Dienstort A an den Standort B als erteilt gelte. Zur Begründung führte es aus, dass der Betriebsrat seine Zustimmung nicht fristgerecht verweigert habe und eine Entscheidung über die Anträge möglich sei, obwohl der Betriebsrat auf das diesbezügliche Bestreiten der Arbeitgeberin den Nachweis eines wirksamen Gremienbeschlusses über die Bevollmächtigung des in dem Verfahren in seinem Namen auftretenden Rechtsanwaltes nicht geführt habe.

Gegenstand der Tagesordnung der Sitzung des Betriebsrats vom 10. September 2014 war ausweislich des Einladungsschreibens und des Protokolls auch die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats im Zusammenhang mit sog. MAS-Diensten. In dem Protokoll, das vom Betriebsratsmitglied C unterzeichnet worden ist, heißt es zu diesem Tagesordnungspunkt 6 auszugsweise:

"...D Dienstpläne und Dienst Karte Geändert Worden ohne des BR Zustimmung. Die genannten fälle BR. Leitet Rechtwege ein. Dafür Beschluss.

BR Auftrag gegeben Anwald Beschlus gemacht 8Ja - 0 Nein - 0Enthaltung".

In einem durch den Beteiligten zu 5. unterzeichneten Beschlusstext vom 10. September 2014 (Bl. 184 d. A.) ...

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