Entscheidungsstichwort (Thema)
BR-Wahl, Anfechtung;. Prüfungsrecht des Wahlvorstands unzulässige Verteilsgewährung (§ 20 Abs. 2 BetrVG)
Leitsatz (amtlich)
Der Wahlvorstand hat bei eingereichten Wahlvorschlägen nur ein formelles Prüfungsrecht. Er kann Wahlvorschläge nicht wegen „Einflußnahme” des Arbeitgebers zurückweisen.
Das „Abholen” von Stützunterschriften durch den Arbeitgeberrepräsentanten stellt in kleineren Betrieben ohne weiteres eine unzulässige Vorteilsgewährung i. S. des § 20 Abs. 2 BetrVG dar.
Normenkette
BetrVG §§ 78, 61
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 24.10.2000; Aktenzeichen 8 BV 11/00) |
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 24.10.2000 – 8 BV 11/00 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Betriebsratswahl vom 04.05.2000.
Die Arbeitgeberin betreibt ein Speditionsunternehmen. In dessen Niederlassung in … waren im Wahlzeitpunkt unter der Niederlassungsleitung des Sohnes des Geschäftsführers (und Hauptgesellschafters) der Komplementärin der Arbeitgeberin, … 26 Arbeiter und 12 Angestellte tätig (Bl. 45 d. A.).
Am 04.05.2000 fand im Betriebsbereich … die erste Betriebsratswahl statt. Diese wurde vom Wahlvorstand vorbereitet, dem Frau …, Herr … und Herr … (als Vorsitzender) angehörten.
Am 04.04.2000 gegen 18.20 Uhr reichte der Mitarbeiter … einen Wahlvorschlag ein, auf dem sich neun Stützunterschriften finden (Bl. 46 d. A.).
Am 04.04.2000 morgens gegen 6.00 Uhr beobachtete das Wahlvorstandsmitglied …, dass Herr …, die Wahlvorschlagsliste des Herrn … in der Hand haltend, zusammen mit dem Mitarbeiter … sein Büro betrat. Hernach befand sich die Unterschrift … als Stützunterschrift auf dem Wahlvorschlag.
Am 07.04.2000 wies auf einem Musterbogen für Wahlvorstände der Vorsitzende des Wahlvorstands … den Wahlvorschlag als „ungültig, da Einflussnahme des Arbeitgebers” zurück (Bl. 11 d.A.).
Hiergegen legte Herr … am 07.04.00 beim Mitglied des Wahlvorstandes, Frau … Einspruch ein. Diese kam mit dem weiteren Wahlvorstandsmitglied … überein, eine Sitzung des Wahlvorstandes einzuberufen. Das lehnte – nach seiner Rückkehr in den Betrieb aus vorausgegangener Arbeitsunfähigkeit – der Vorsitzende des Wahlvorstands, …, ab. Der Wahlvorstand fasste in der Folge keinen Beschluss über den Einspruch des Herrn … mehr.
Gewählt wurden am, 04.05.2000 für die Gruppe der Arbeiter die Herren … (jetzt: Betriebsratsvorsitzender) und … sowie für die Gruppe der Angestellten Herr ….
Mit am 16.05.2000 eingegangenem Schriftsatz hat die Arbeitgeberin diese Wahl angefochten. Sie hat die Ablehnung des Wahlvorschlags … als „ungültig” durch Herrn …, der darüber zudem ohne Zuziehen der beiden anderen Wahlvorstandsmitglieder allein entschieden habe, für rechtswidrig gehalten. Auch – so hat sie weiter gemeint – sei die Wahl anfechtbar, weil die Wählerliste und die Wahlordnung nicht im Betrieb ausgehängt worden seien. Dem als leitender Angestellter tätigen Herrn … sei zudem zu Unrecht der Einblick in die Wählerliste verweigert worden. Ferner seien für die Wahl des Gruppenvertreters der Angestellten elf Stimmen abgegeben worden, obwohl nur zehn Angestellte beschäftigt seien.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
festzustellen, dass die Betriebsratswahl vom 04.05.2000 unwirksam ist.
Der Betriebsrat und Beteiligter zu 2. hat Antragszurückweisung beantragt und behauptet, der Zurückweisung des Wahlvorschlags Becker am 07.04.2000 sei ein Beschluss des Wahlvorstandes als Gremiums vorausgegangen. Dieser Beschluss sei auch begründet, weil der Niederlassungsleiter … für diesen Wahlvorschlag Stützunterschriften gesammelt habe. Auch habe die Wählerliste einmal wöchentlich an einer allen Arbeitnehmern bekannten Stelle im Betrieb ausgelegen und sei dort auch eingesehen worden. Herr … sei kein Angestellter, er sei Vertreter des Geschäftsführers, etwa bei Neueinstellungen. Sein Name habe auch nicht auf der Liste gestanden, die die Arbeitgeberin für die Erstellung der Wählerliste übergeben habe. Wenn eine Angestelltenstimme zuviel abgegeben sei, habe dies jedenfalls das Wahlergebnis (9 Stimmen für … 2 für …) nicht beeinflussen können. Herr … habe die Wahlunterlagen persönlich mit sich geführt, weil dem Wahlvorstand im Betrieb kein verschließbares Behältnis zur Verfügung gestanden habe.
Die Arbeitgeberin hat erwidert, Herr … sei lediglich kommissarischer Niederlassungsleiter. Auch habe er keine Stützunterschriften für den Vorschlag … gesammelt. Er habe sich lediglich auf Bitten des Herrn …, der morgens bereits gegen 5.30 Uhr den Betrieb verlassen müsse, bereit gefunden, von drei weiteren Mitarbeitern … – wie von Herrn … mit diesem vorbesprochen – die Stützunterschriften einzuholen. Diese Stützunterschriften seien ohne jede Beeinflussung seitens des Herrn … geleistet worden (Bl. 42, 44 d. A.).
Das Arbeitsgericht hat aus den im Einzelnen aus Bl. 50 bis 55 d. A. ersichtlichen Gründen die Unwirksamkeit der streitigen Betriebsratswahl festgestellt.
Hiergeg...