Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung. Durchführungspflicht. Umgruppierung. Versetzung. Aufhebung einer etwaigen Versetzung. Verpflichtung ein Umgruppierungsverfahren durchzuführen. Vorliegen einer Versetzung
Leitsatz (redaktionell)
1. a) Unter Versetzung versteht man die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die entweder die Dauer von einem Monat voraussichtlich überschreitet oder mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit geleistet werden muss.
b) Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs liegt vor, wenn sich das Gesamtbild der bisherigen Tätigkeit des Arbeitnehmers so verändert hat, dass die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als eine “andere„ anzusehen ist; dies kann sich aus dem Wechsel des Inhalts der Arbeitsaufgaben und der mit ihnen verbundenen Verantwortung ergeben, kann aus einer Änderung des Arbeitsortes oder der Art der Tätigkeit, d. h. der Art und Weise folgen, wie die Arbeitsaufgabe zu erledigen ist, und kann mit einer Änderung der Stellung und des Platzes des Arbeitnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation durch Zuordnung zu einer anderen betrieblichen Einheit verbunden sein.
2. Die erstmalige Zuweisung sämtlicher in einer Schicht anfallenden Arbeiten stellt einen anderen Arbeitsbereich dar, wenn die modifizierte Arbeitsaufgabe den üblichen Schwankungsbereich überschreitet und von der Funktionsbeschreibung der Stellenfamilie nicht mehr gedeckt ist.
Normenkette
BetrVG §§ 95, 99, 101
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 21.12.2011; Aktenzeichen 23 BV 237/11) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Dezember 2011 - 23 BV 237/11 - teilweise abgeändert.
Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, die Versetzung des Arbeitnehmers A ab dem 01. Juli 2010 von dem Arbeitsplatz eines "Hub Operations Agent" des Teilbereichs "Shuttle-Operation" auf den Arbeitsplatz "Export I" aufzuheben.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Betriebsparteien streiten über die Aufhebung einer Versetzung des Mitarbeiters A sowie über die Verpflichtung, ein Umgruppierungsverfahren durchzuführen.
Der Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Betriebsrat) repräsentiert die in der Niederlassung B beschäftigten Arbeitnehmer. Die Beteiligte zu 2 (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist ein weltweit operierendes Kurier- und Logistikunternehmen. Sie betreibt auf dem Flughafengelände in B ein Umschlagzentrum (HUB) in einer Halle mit einer Fläche von rund 10.000 m².
Vor der Inbetriebnahme des Umschlagzentrums auf dem Flughafengelände C/D arbeiteten im Umschlagzentrum B zirka 200 HUB Handler. In der Nacht wurden zirka 75 Mitarbeiter und tagsüber zirka 25 Mitarbeiter eingesetzt. Die Hub Handler haben dafür zu sorgen, dass die ankommende Fracht weiter transportiert werden kann. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stellenbeschreibung für die Stellenfamilie EMEA HUB Handler Bezug genommen. Der Arbeitsablauf gliederte sich in die Teilbereiche Export, Import, Cage, Shuttle und Transit. Inwieweit die Mitarbeiter den einzelnen Teilbereichen ständig zugeordnet waren, ist zwischen den Beteiligten streitig. Anlässlich einer Zertifizierung der Arbeitsabläufe wurden von der Arbeitgeberin detaillierte Beschreibungen für die in den jeweiligen Teilbereichen anfallenden Arbeiten gefertigt (sogenannte Job Aids). Wegen der Einzelheiten wird auf die einzelnen Job Aids verwiesen. Die Position des HUB Operations Agent ist in betrieblichen Bereichen angesiedelt, die komplexere administrative Funktionen aufweisen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stellenbeschreibung der Stellenfamilie EMEA HUB Operations Agent Bezug genommen. Die HUB Handler und die HUB Operations Agents wurden in Gruppen mit zirka 25 bis 30 Mitarbeitern aufgeteilt und jeweils einem Manager unterstellt. Sie hatten unter anderem Personalbefugnisse für die Wahrnehmung von Disziplinaraufgaben. Während der Arbeit in einer Schicht waren alle Mitarbeiter - unabhängig davon wer ihr disziplinarischer Vorgesetzter war - den jeweils diensthabenden Managern (Manager on duty) unterstellt und in dieser Zeit an deren Weisungen gebunden. In seiner Gesamtheit wurde das HUB von einem Senior Manager geleitet.
Nach der Inbetriebnahme des neuen Umschlagzentrums C/D am 01. Juni 2010 hat die Arbeitgeberin in erheblichem Umfang Frachtvolumen nicht mehr über den Flughafen B, sondern über den Flughafen C/D abgewickelt. Dies hatte eine Verringerung der Mitarbeiterzahl in der Niederlassung B zur Folge. Die Anzahl der HUB Handler und der HUB Operations Agents reduzierte sich auf insgesamt 60 Mitarbeiter. In der Nachtschicht werden seit dem zirka 10 und in der Tagschicht etwa 20 Arbeitnehmer beschäftigt. Ihr Einsatz erfolgt in allen Teilbereichen. Eine feste Zuordnung besteht jedenfalls jetzt nicht mehr. Die verbliebenen Mitarbeiter sind in zwei Schichtgruppen Export 1 und Ex...