Mitbestimmungspflicht: Versetzung an 12 km entfernten Ort

Der übergangene Betriebsrat zog vor Gericht, nachdem Mitarbeiter an einen anderen Betriebsstandort geschickt wurden. Allzu viel änderte sich nicht an ihrer Tätigkeit. Eine Versetzung i.S.v. § 95 Abs. 3 BetrVG stand dennoch im Raum. Das LAG Nürnberg entschied zugunsten einer Mitbestimmungspflicht und damit ggf. konträr zum BAG.

Abweichung von BAG-Rechtsprechung?

Der Fall weist starke Parallelen zu einer BAG-Entscheidung aus dem Jahr 2006 auf. Das BAG entschied seinerzeit gegen, das LAG Nürnberg aktuell für eine Mitbestimmungspflicht. Wegen der etwas unterschiedlichen Sachverhaltsdetails war das LAG selbst nicht sicher, ob sich sein Ergebnis mit dem des BAG beißt. Das können die obersten Arbeitsrichter nach Zulassung der Rechtsbeschwerde nun selbst beurteilen.

Im BAG-Fall zog die gesamte Betriebsabteilung drei Kilometer um

In dem der BAG-Entscheidung zugrundeliegenden Fall (Beschluss v. 27.6.2006, 1 ABR 35/05) wurden wegen Umbauarbeiten zwei Betriebsabteilungen innerhalb derselben Stadt in ein drei Kilometer entferntes Gebäude verlegt. Dadurch änderten sich für die Mitarbeiter die täglichen Anfahrtswege und das nähere Umfeld der Büros, ansonsten nichts.

Im Nürnberger Fall traf die Umsetzung drei einzelne Mitarbeiter

In dem Fall des LAG Nürnberg wurden drei Mitarbeiter auch innerhalb derselben Stadt in 12 km entfernte Gebäude zum Arbeiten geschickt. Auch hier gab es so gut wie keine Änderung bei Arbeitsaufgaben, Verantwortung oder Organisationseinbettung.

Zwischen altem und neuem Arbeitsort liegen 12 km

Die drei Betroffenen sind Angestellte eines Krankenhauses bzw. des Servicebetriebs für das Krankenhaus, welches aus zwei 12 km auseinanderliegenden Gebäudekomplexen besteht, dem Klinikum Nord und dem Klinikum Süd. Ihre Aufgabe besteht im Wesentlichen im Patienten-/Leichentransport innerhalb der Standorte. Zwei Mitarbeiter aus dem Südstandort sollten länger als einen Monat im Nordkomplex arbeiten und eine Mitarbeiterin umgekehrt im Südstadtgebäude. Der Arbeitgeber wollte so bei künftigen personellen Engpässen flexibler sein.

Nur minimale Veränderung bei Transportwegen

Organisation und Vorgesetzte blieben identisch. Der Nordteil des Klinikums besteht aus mehreren Gebäuden, der Südteil ist ein einziges Gebäude; abgesehen davon blieb auch die Tätigkeit gleich. So kam denn auch das LAG Nürnberg zum Schluss, dass sich das Gepräge der Tätigkeit nur so unerheblich änderte, dass hieraus jedenfalls keine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn folgte.

Andere Verkehrsanbindung zum 12 km entfernten Standort führen zur Mitbestimmung

Zugunsten einer Mitbestimmungspflicht kippte die Entscheidung allein an dem Punkt, dass der Einsatzort 12 km von dem ursprünglichen entfernt liegt, wenn auch innerhalb derselben politischen Gemeinde. Beide Standorte sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, aber mit sehr unterschiedlichen Verbindungen. Das ließ den Arbeitsort durch die Brille der Nürnberger Richter als einen „anderen“ erscheinen.

Reicht die Sachverhaltsabweichung für eine Mitspracherecht des Betriebsrats?

Im Ergebnis stellt sich nun die Frage, ob die Fallunterschiede:

  • 12 km statt nur 3 km und
  • Verlagerung der ganzen Betriebsabteilung oder nur einzelne betroffene Mitarbeiter

eine unterschiedliche Bewertung bei der Frage einer betriebsverfassungsrechtlichen „Versetzung“ (§§ 95 Abs. 3, 99 BetrVG) rechtfertigen. Die endgültige Antwort gibt es in der Revision.

(LAG Nürnberg, Beschluss v. 10.5.2021, 1 TaBV 3/21)



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