Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenfestsetzung. Beauftragung eines Rechtsanwalts bei nur „fristwahrend” eingelegtem Rechtsmittel. Stillhalteabkommen

 

Leitsatz (amtlich)

Grundsätzlich kann ein Berufungsbeklagter die Kosten seines Rechtsanwalts auch dann nach Berufungsrücknahme erstattet verlangen, wenn die Berufung „fristwahrend” eingelegt war.

Etwas anderes gilt nur, wenn ein sogenanntes „Stillhalteabkommen” zustande gekommen ist. Dazu reicht die Äußerung einer „Stillhaltbitte” ohne Reaktion der Gegenseite nicht aus.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 16.07.2009; Aktenzeichen 7 Ca 6191/08)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Juli 2009 – 7 Ca 6191/08 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Tatbestand

I.

Nach erstinstanzlichem Prozessverlust legte die Klägerin beim erkennenden Gericht am 6. Februar 2009 Berufung ein (Az: 16 Sa 202/09). Mit Schreiben vom 5. Februar 2009 bat der Klägervertreter den Vertreter der Beklagten, sich einstweilen nicht im Berufungsverfahren zu bestellen, da noch nicht feststehe, ob die Berufung durchgeführt wird. Der Beklagtenvertreter reagierte auf dieses Schreiben nicht und meldete sich mit Schriftsatz vom 18. Februar 2009 zur Gerichtsakte mit dem Antrag, die Berufung zurückzuweisen.

Am 9. April 2009 nahm die Klägerin sodann die Berufung zurück. Entsprechend wurden ihr durch Beschluss vom 14. April 2009 die Kosten der Berufung auferlegt.

Am 16. April 2009 beantragte die Beklagte die Kostenfestsetzung gegen die Klägerin wie folgt:

1.6 Verfahrensgebühr (Berufg./Beschw,.) (§§ 2 Abs. 2, 13 RVG 9.572,40 EUR

777,60 EUR

Post + Telekommunikation (pauschal) (§ 2 Abs. 2 RVG i.v.m. Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Endsumme

797,60 EUR

Zugleich wurde Verzinsung seit Antragseingang (17. April 2009) beantragt.

Durch Beschluss vom 16. Juli 2009 erließ der Rechtspfleger beim Arbeitsgericht den begehrten Kostenfestsetzungsbeschluss nach Antrag. Nach Zustellung dieses Beschlusses am 30. Juli 2009 legte die Klägerin, eingegangen am 31. Juli 2009, sofortige Beschwerde ein mit Ansicht, nach der am 5. Februar 2009 geäußerten „Stillhaltebitte” sei der Beklagten eine Kostenfestsetzung nicht gestattet.

Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde am 27. Oktober 2009 nicht abgeholfen und die Sache dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Beschwerdeverfahren wird auf den Akteninhalt im Übrigen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gemäß den §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 2 ZPO; 11 Abs. 1 RPflG; 78 ArbGG statthaft, der Beschwerdewert von mehr als 200,00 EUR ist erreicht. Auch im Übrigen ist die Beschwerde zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt.

Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen (§ 572 Abs. 1 ZPO).

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Die Beklagte kann von der Klägerin die Erstattung der begehrten Kosten verlangen. Der Rechtspfleger hat dem Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten zu Recht entsprochen.

Nach dem Gesetz (§ 91 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Diese Pflicht reicht so weit, wie die Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Es entspricht höchstrichterlicher Rechtsansicht, dass der Berufungsgegner, selbst wenn ein Rechtsmittel ausdrücklich nur „fristwahrend” eingelegt wurde, grundsätzlich sofort einen Anwalt mit seiner Vertretung im Berufungsverfahren beauftragen kann, ohne gegen die Grundsätze des § 91 ZPO zu verstoßen (BAG vom 14. November 2007, NJW 2008, 1340; BGH v. 17. Dezember 2002 – X ZB 9/02 –, JurBüro 2003, 257; BAG v. 16. Juli 2003 – 2 AZB 50/02 –, NZA 2003, 1293). Dem folgt die erkennende Kammer seit langem (vgl. Kammerbeschlüsse. v. 20. Oktober 2003 – 13 Ta 387/03 und 13 Ta 388/03 –, vom 30. Oktober 2003 – 13 Ta 397/03 –, vom 29. März 2004 – 13 Ta 61/04 –, vom 17. Juni 2004 – 13 Ta 197/04 –; vom 4. Oktober 2005 – 13 Ta 339/05 –, vom 15. März 2006 – 13 Ta 80/06 – und vom 10. April 2007 – 13 Ta 70/07 –, vom 13. November 2008 – 13 Ta 322/08 –; ebenso auch LAG Berlin vom 20. August 2003, – 17 Ta 6060/03 –, MDR 2004, 58; KG vom 9. Mai 2005 – 1 W 20/05JurBüro 2005, 418; LAG Düsseldorf vom 8. November 2006 – 16 Ta 596/05 – MDR 2006,659; vgl. auch: Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 91 Randziffer 13, Stichwort „Berufung” m.w.N.). Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO gehören zu den erstattungsfähigen Kosten die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei. Daraus ist zu entnehmen, dass eine Partei im Prozess einen Rechtsanwalt zu Hilfe nehmen darf und die dadurch entstandenen Kosten auch erstattungsfähig sind. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes für die Fälle, in denen ein Rechtsmittel nur vorsorglich eingelegt wird, ist im Gesetz nicht ausdrückli...

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