Entscheidungsstichwort (Thema)

Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Leiharbeitnehmer. Entscheidung nach Zurückverweisung durch Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 25.02.2009 – 7 ABR 61/07

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Einsatz von Leiharbeitnehmern auf geeigneten Arbeitsplätzen für die Weiterbeschäftigung eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung spricht gegen die Unzumutbarkeit, wenn die Beendigung des Leiharbeitnehmereinsatzes für den Arbeitgeber vertraglich möglich ist.

 

Orientierungssatz

Die Weiterbeschäftigung eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung ist dem Arbeitgeber nicht unzumutbar im Sinne des § 78a Abs 4 BetrVG, wenn er in dem maßgeblichen Drei-Monats-Zeitraum des § 78a Abs 2 S 1 BetrVG Leiharbeitnehmer auf Arbeitsplätzen einsetzt, für die der Auszubildende aufgrund seiner Ausbildung geeignet ist. Etwas anderes kann gelten, wenn der Beendigung des Einsatzes des Leiharbeitnehmers vertragliche Bindungen mit dem Verleiher entgegen stehen.

 

Normenkette

BetrVG § 78a Abs. 4, 2 S. 1

 

Verfahrensgang

BAG (Entscheidung vom 25.02.2009; Aktenzeichen 7 ABR 61/07)

Hessisches LAG (Beschluss vom 26.04.2007; Aktenzeichen 9 TaBV 182/06)

ArbG Darmstadt (Beschluss vom 23.08.2006; Aktenzeichen 8 BV 3/06)

 

Tenor

Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 2) und 3) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 23. August 2006 – 8 BV 3/06 – abgeändert:

Die Anträge der Beteiligten zu 1) werden zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 2).

Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1) ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. Die Beteiligte zu 4) ist die Jugend- und Auszubildendenvertretung und der Beteiligte zu 3) der Betriebsrat, der für den von der Beteiligten zu 1) und der A GmbH (Beteiligte zu 5) geführten Gemeinschaftsbetrieb gewählt ist. Die Jugend- und Auszubildendenvertretung ist ebenfalls von den Auszubildenden (mindestens) beider Unternehmen gewählt worden (Wählerliste Bl. 202 ff. d. A.).

Der Beteiligte zu 2) absolvierte bei der Beteiligten zu 1) eine Ausbildung zum Energieelektroniker der Fachrichtung Betriebstechnik. Er war Mitglied der Auszubildendenvertretung. Mit Schreiben vom 16. Dez. 2005 an die zentrale Personalabteilung (Bl. 5 d. A.) beantragte er gemäß § 78 a Abs. 2 BetrVG für die Zeit nach Beendigung seines Berufsausbildungsverhältnisses die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Am 18. Jan. 2006 bestand er die Abschlussprüfung. Am 19. Jan. 2006 schloss die Arbeitgeberin mit dem Beteiligten zu 2) einen Arbeitsvertrag ab, wonach er „unter dem Vorbehalt der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichtes, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Ausbildung festgestellt wird”, in die Abteilung Jungfacharbeiter-Pool innerhalb des Bereichs Zentrale Personalfunktion eingestellt wird. Der Beteiligte zu 2) leistete ab dem 2. Jan. 2007 seinen Zivildienst ab. Er wurde in der Abteilung B als Prüfstandselektroniker beschäftigt. Dieser Abteilung gehören neun weitere Elektriker an. Im ersten Quartal 2006 wurden in der Abteilung 5.687 Überstunden abgeleistet. Von den Auszubildenden, die im Jahre 2006 ihre Ausbildung beendet haben, übernahm die Arbeitgeberin nur vier Modellbaumechaniker. Sie stellte nur Designer, Physiker, Mathematiker und Simulationsingenieure ein.

Die Beteiligte zu 1) hat Stellen als Prüfstandselektroniker, Prüfstandsmechaniker, Mechatroniker oder Betriebstechniker ausgeschrieben, zu deren Inhalt auf Bl. 114 bis 119 d. A. verwiesen wird. Der Beteiligte zu 2) hat als Energieelektroniker die für den Beruf des Prüfstandselektronikers oder Mechatroniker entsprechende Ausbildung. Seine Bewerbungen auf diese Stellen wurden abgelehnt.

Die Beteiligte zu 1) beschäftigt auf frei werdenden Stellen Leiharbeitnehmer der Fa. C. Mit Schreiben vom 6. Nov. 2006 (Bl. 120) forderten die Beteiligten zu 1) und 3) die Auszubildenden, die ihre Prüfung 2007 beenden, auf, sich bei der C GmbH zu bewerben, wobei ein Einsatz bei der Beteiligten zu 1) zu ihren Bedingungen in Aussicht gestellt wurde.

Mit ihrer am 19. Jan. 2006 beim Arbeitsgericht Darmstadt eingegangenen Antragsschrift hat die Beteiligte zu 1) die Auflösung des Arbeitsverhältnisses beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, der Auflösungsantrag sei begründet, weil bei ihr keine freien Arbeitsplätze zur Verfügung gestanden hätten. Sie bilde nach dem sog. „Zukunftsvertrag” (Betriebsvereinbarung vom 17. März 2005) über Bedarf aus. Im Rahmen von Restrukturierungsmaßnahmen belaufe sich die Anzahl der bis 2007 abzubauenden Stellen auf rund 9.500. Ausscheidende Mitarbeiter würden in der Regel nicht ersetzt. Zwingender Bedarf werde nach dem mit dem Betriebsrat vereinbarten Konzept „Interner Arbeitsmarkt” aus dem Personalüberhang gedeckt.

Die Beteiligte zu 1) hat beantragt,

das nach § 78 a Abs. 2 BetrVG mit dem Beteiligten zu 2) begründete Arbeitsv...

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