Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestellung eines Hauptwahlvorstands zur Durchführung von Aufsichtsratswahlen
Leitsatz (amtlich)
Die jahrelange Weigerung des Gesamtbetriebsrats, entgegen § 4 Abs. 4 der 3. WOMitbestG keine Mitglieder des Hauptwahlvorstandes zu bestellen, während die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat per gerichtlicher Nachbesetzung nach § 104 AktG bestellt werden, stellt eine Wahlbehinderung im Sinne des § 20 MitbestG dar. Der Gesamtbetriebsrat kann auf Antrag wahlberechtigter Arbeitnehmer zur Bestellung von Mitgliedern des Hauptwahlvorstandes verpflichtet werden.
Normenkette
MitbestG § 20; MitbestGWO 3 § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Hanau (Beschluss vom 09.12.2009; Aktenzeichen 1 BV 8/08) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 7 ABN 79/10) |
Tenor
Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 1), 4), 5) und 7) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hanau vom 09. Dezember 2009 – 1 BV 8/08 – teilweise abgeändert.
Der Beteiligte zu 8) wird verpflichtet, einen aus drei Mitgliedern bestehenden Hauptwahlvorstand zur Durchführung der Aufsichtsratswahlen nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976 im Unternehmen der Beteiligten zu 9) zu bestellen.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 3) wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligten zu 8) und 9) zugelassen, für den Beteiligten zu 3) nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten zu 1), 4), 5) und 7) sind Arbeitnehmer im Unternehmen der Beteiligten zu 9). Sie sind im Betrieb H. tätig. Der Beteiligte zu 3) ist in der passiven Phase der Altersteilzeit. Die Beteiligte zu 9) ist aus einer Vorratsgesellschaft hervorgegangen. Im Unternehmen der Beteiligten zu 9) ist ein Gesamtbetriebsrat, der Beteiligte zu 8), gebildet. Nachdem im März 2002 bei der Beteiligten zu 9) nach mehreren Umstrukturierungen der Schwellenwert des § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG von mehr als 2000 Arbeitnehmern überschritten war, wurde ein mitbestimmter Aufsichtsrat bestellt. Die Industriegewerkschaft BCE beantragte beim Amtsgericht Hanau – Registergericht – gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 MitbestG in Verbindung mit § 104 Abs. 2 und 3 Nr. 2 AktG die Bestellung von acht namentlich aufgeführten Personen als Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat. Das Registergericht gab dem Antrag der IG BCE durch Beschluss vom 6. Mai 2002 statt und folgte dabei den personellen Vorschlägen der IG BCE. Auch in der Folgezeit beantragte die IG BCE wiederholt gerichtliche Nachbesetzungen von Aufsichtsratsmitgliedern. Eine erneute Vakanz, im Aufsichtsrat entstand durch die Amtsniederlegung des Arbeitnehmervertreters B.
Bislang haben im Unternehmen der Beteiligten zu 9) noch keine Aufsichtsratswahlen stattgefunden. Die betriebsratsinterne im Mai 2007 erhobene Forderung der Beteiligten zu 1) bis 7), sich für längst überfällige Aufsichtsratswahlen einzusetzen, wurde mehrheitlich abgelehnt. Die Beteiligte zu 9)' hat eine Holding-Funktion gegenüber den deutschen Gesellschaften der C-Unternehmensgruppe inne und ist herrschendes Unternehmen im Sinne von § 18 AktG. Bei ihr nehmen an der Wahl auch die Arbeitnehmer/innen anderer Unternehmen teil, weshalb diese nach der 3. WOMitbestG durchzuführen ist. Im Verfahren beim ArbG Hanau (1 BV 11/07 – Hess. Landesarbeitsgericht 9 TaBV 37/08, Nichtzulassungsbeschwerde 7 ABN 2/09) haben die Beteiligten zu 1) bis 7) erfolglos die gerichtliche Bestellung eines Unternehmenswahlvorstandes durchzusetzen versucht. Ihren dortigen Hilfsantrag, dem Beteiligten zu 8) aufzugeben, einen Unternehmenswahlvorstand zu bilden, hatten diese nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bereits erstinstanzlich zurückgenommen.
Die Beteiligten zu 1) bis 7) haben die Verpflichtung des Gesamtbetriebsrats begehrt, einen Hauptwahlvorstand zu bestellen. Sie sind der Auffassung gewesen, die Unterlassung der Einleitung der Aufsichtsratswahl und Bestellung eines Wahlvorstandes erfülle den Tatbestand des § 20 MitbestG, da durch dieses Verhalten die wahlberechtigten Arbeitnehmer in der Ausübung ihres aktiven und passiven Wahlrechts behindert würden.
Die (erstinstanzlich) Beteiligten zu 1) bis 7) haben beantragt,
den Beteiligten zu 8) zu verpflichten, einen aus drei Mitgliedern bestehenden Hauptwahlvorstand zur Durchführung der Aufsichtsratswahlen nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976 im Unternehmen der Beteiligten zu 9) zu bestellen; hilfsweise, festzustellen, dass der Beteiligte zu 8) verpflichtet ist, die Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat im Konzern der Beteiligten zu 9) einzuleiten und hierzu insbesondere und zunächst einen Wahlvorstand nach der 3. Wahlordnung zum Mitbestimmungsgesetz zu bestellen.
Die Beteiligten zu 8) und 9) haben beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 8) und 9) sind der Ansicht gewesen, den Antragstellern fehle die Antragsbefugnis. Der Hilfsantrag sei mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Durch die gerichtliche Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder gemäß § 104 AktG sei zudem kein mitbestimmungswidriger Zustand eingetreten. Von einer Wahlbehinderung könne keine Rede sein.
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