Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Erstattung der Reisekosten eines Betriebsratsmitgliedes anlässlich der Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung
Leitsatz (redaktionell)
Bei einer von mehreren Betriebsratsmitgliedern durchzuführenden Reise, für die ein Betriebsratsmitglied seinen Pkw benutzt, ist es für andere Betriebsratsmitglieder grundsätzlich zumutbar, diese Mitfahrmöglichkeit in Anspruch zu nehmen.
Normenkette
BetrVG § 40 Abs. 1, § 37 Abs. 6
Verfahrensgang
ArbG Kassel (Entscheidung vom 18.05.2016; Aktenzeichen 8 BV 4/16) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 18. Mai 2016 - 8 BV 4/16 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Reisekosten.
Der Antragsteller ist Mitglied des im Betrieb des Arbeitgebers (Beteiligte zu 2) gebildeten Betriebsrats (Beteiligter zu 3).
In der Zeit vom 18. bis 23. Oktober 2015 nahmen der Antragsteller sowie der Antragsteller des Parallelverfahrens 16 TaBV 185/16, der demselben Betriebsrat angehört, an einer Betriebsratsschulung zum Thema "Betriebsvereinbarungen sicher formulieren" in A teil. Zu dieser Veranstaltung reiste er mit seinem privaten Pkw (Ford Fiesta) an. Der Antragsteller des Parallelverfahrens reiste gemeinsam mit seiner Ehefrau ebenfalls mit seinem privaten Pkw (Hyundai ix20) an.
Im Betrieb des Arbeitgebers gilt eine Reisekostenordnung; insoweit wird auf Bl. 133-148 der Akte Bezug genommen. Dort heißt es (Bl. 137 d.A.):
II. Fahrtkosten
1. Grundsatz
Es ist das jeweils kostengünstigste Verkehrsmittel unter Berücksichtigung des Zeitaufwandes zu benutzen, wobei jedoch Zweck und Ziel der Reise nicht behindert oder verzögert werden sollen. Von Fahrpreisvergünstigungen jeder Art muss in vollem Umfang Gebrauch gemacht werden. Überhöhte Fahrgelder, die durch Nichtbeachtung dieser Vorschrift entstehen, können nicht vergütet werden.
4. Kfz/Motorrad
Es besteht die grundsätzliche Verpflichtung die wirtschaftlich (=kürzeste Entfernung) und zeitlich günstigste Fahrtstrecke zu wählen. Bei Benutzung eigener Pkw bzw. Motorräder für Auswärtstätigkeit erstattet die Firma -unabhängig von der Anzahl der Mitfahrer-
a) eigener Pkw
- für die ersten 1000 km pro Monat, die mit einem Privat-Kfz dienstlich gefahren werden, 0,30 €/km
(...)
- es sind jeweils volle Kilometer abzurechnen.
In allen Fällen, wo dies möglich ist, sind Fahrgemeinschaften zu bilden. Vorrangig ist mit Mitarbeitern mit Firmen-PKW zu fahren.
Zu der Schulungsveranstaltung reichte der Antragsteller beim Arbeitgeber eine Spesenabrechnungen ein, die Fahrtkosten wegen der Nutzung des privaten Pkw sowie Garagenkosten enthält. Darauf leistete der Arbeitgeber eine Teilzahlung, sodass der Antragsteller nunmehr noch 137,55 € anteiliges Kilometergeld und Parkkosten geltend macht. Auch sein Betriebsratskollege, der an derselben Schulungsveranstaltung teilnahm, erhielt seine Reisekosten lediglich teilweise erstattet. Der Arbeitgeber brachte von der Spesenabrechnung des Antragstellers 359 km für eine einfache Fahrtstrecke zwischen B und A sowie die hälftigen Parkkosten in Abzug, da die beiden Betriebsratsmitglieder nach der Reisekostenordnung mit demselben Fahrzeug hätten anreisen müssen.
Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, sein Kollege habe seine Frau zu dem Seminar mitnehmen müssen, da sie ihm nach 2 Hüftoperationen im Februar 2010 sowie September 2011 beim An- und Auskleiden behilflich sein müsse. Eine gemeinsame Fahrt zu Dritt mit dem Betriebsratskollegen in demselben Fahrzeug sei nicht zumutbar. Die betriebliche Reisekostenregelung sei unwirksam.
Hinsichtlich der Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. der Gründe (Bl. 83-86 d.A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Der Arbeitgeber sei nach § 40 Abs. 1 BetrVG nur zur Tragung der erforderlichen Kosten verpflichtet. Es sei nicht erforderlich gewesen, dass jedes Betriebsratsmitglied mit dem eigenen Pkw zu der Schulung anreiste.
Dieser Beschluss wurde dem Antragsteller am 20. Juli 2016 zugestellt. Er hat dagegen am 28. Juli 2016 Beschwerde eingelegt und diese am 19. August 2016 begründet.
Der Antragsteller ist der Auffassung, es bleibe ihm unbenommen, alleine mit dem eigenen Pkw zu Seminaren anzureisen. Die Bildung einer Fahrgemeinschaft sei ihm nicht zuzumuten gewesen, da beide Privatfahrzeuge keinen hinreichenden Platz für drei Erwachsene und Gepäck böten. Das Arbeitsgericht habe sich zu Unrecht nicht mit der betrieblichen Reisekostenordnung auseinandergesetzt. Der Entscheidung des BAG vom 28.10.92 sei nicht zu folgen. Dort bleibe offen, wann eine besondere Gefahr anzunehmen sei. Die Entscheidung im Auto eines Anderen mitzufahren, müsse jedem Einzelnen überlassen bleiben. Der Antragsteller sei auch nicht verpflichtet, seinen Kollegen beim Arbeitgeber "anzuschwärzen", warum er nicht be...