Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckung des Anspruchs eines auf Provisionsbasis beschäftigten Arbeitnehmers auf Erteilung von Auskünften über die verdienten Provisionen. Erteilung der Vollstreckungsklausel an einen Dritten
Leitsatz (amtlich)
1. Bei dem Anspruch auf Erteilung von Auskünften über die verdienten Provisionen handelt es sich um eine unvertretbare Handlung, die nach § 888 ZPO zu vollstrecken ist.
2. In den Antrag sind nicht bereits sämtliche Faktoren und Umstände mit aufzunehmen, die für den Provisionsanspruch von Bedeutung sind. Der Titel ist notfalls auszulegen, wobei auf das gesetzliche Leitbild in § 87c Abs. 3 HGB abgestellt werden kann (Anschluss an Hess. LAG 21. Oktober 2014 - 12 Ta 6/14 - Juris).
3. Ist zweifelhaft, ob die Vollstreckungsklausel an einen Dritten (hier an die Nebenintervenientin), der nicht klägerische Partei ist, erteilt werden durfte, ist dies im Beschwerdeverfahren unbeachtlich. Die fehlerhafte Klauselerteilung ist mit den in der ZPO vorgesehenen Rechtsbehelfen, hier insbesondere § 732 ZPO, geltend zu machen.
Normenkette
ZPO §§ 888, 253 Abs. 2, §§ 724, 727, 750 Abs. 1; HGB § 87c; BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Gießen (Entscheidung vom 30.07.2015; Aktenzeichen 5 Ca 296/14) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 30. Juli 2015 - 5 Ca 296/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Zwangsvollstreckungshandlung.
Der Gläubiger ist seit dem 10. Mai 2013 bei der Schuldnerin, einem Immobilienbüro, angestellt. Zu seinen Aufgaben gehören der Verkauf und die Akquisition von Verkaufs- und Vermietungsobjekten.
In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 30. April 2013 heißt es auszugsweise wie folgt:
§ 3 Vergütung
Die monatliche Bruttovergütung beträgt EUR 600.
...
Zusätzlich wird eine Provision vereinbart in Höhe von 40 % der uns verbleibenden Nettoprovision, welche nach Geldeingang des Kunden bei uns mit dem nächsten Gehalt ausgezahlt wird. (Siehe ausführliche Erläuterung in Anlage 1).
Die Anlage zum Arbeitsvertrag lautet wie folgt:
"1. Provision
Der Arbeitnehmer A erhält zuzüglich zu seinem Bruttogehalt eine Provision in Höhe von 40 Prozent aus seinen Verkäufen und Vermietungen nach Abzug folgender Positionen:
- RE/MAX Gebühr 9 Prozent [zzgl. 19 % MwSt handschriftlich eingefügt], Europa, International
- angefallene Werbekosten pro Kauf-/Mietobjekte
...
- monatliche Lohnkosten
- Geschäfte mit Maklerkollegen 50/50".
Der Gläubiger sollte einen von der Schuldnerin vorformulierten Nachtrag zum Arbeitsvertrag datierend auf den 24. Juli 2013 unterzeichnen, was er aber ablehnte (vgl. Bl. 8 der Akte).
Mit Beschluss des Amtsgerichts D vom 21. Juni 2013 - 10 IN xx/xx - ist über das Vermögen des Gläubigers das Insolvenzverfahren eröffnet worden (Bl. 57 der Akte). Zur Insolvenzverwalterin wurde Frau Rechtsanwältin B bestellt, die im Prozess als Nebenintervenientin auftrat.
Mit Schriftsatz vom 12. November 2014 hat die Schuldnerin über die ab Mai 2014 vom Gläubiger erwirtschafteten Provisionen Auskunft erteilt. Bezüglich der Einzelheiten dieser Aufstellung wird verwiesen auf Bl. 39 - 42 der Akte.
Im Prozess hat die Schuldnerin die Auffassung vertreten, der Gläubiger sei mit der unter dem 24. Juli 2013 angebotenen Vertragsänderung einverstanden gewesen. Die Parteien hätten lediglich vergessen, die Unterzeichnung vorzunehmen.
Der Gläubiger hat bestritten, dass sich die Parteien auf eine Änderung der Provisionsabrede geeinigt hätten.
Mit Teilurteil vom 9. Dezember 2014 - 5 Ca 296/14 - hat das Arbeitsgericht Gießen dem Antrag des Gläubigers und der Nebenintervenientin in der ersten Stufe im Wesentlichen stattgegeben. Der Tenor lautet diesbezüglich:
"...Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die in der Zeit vom 15. Mai 2013 bis 30. April 2014 verdienten Provisionen zu erteilen..."
Mit Schriftsatz vom 18. Juni 2015 hat die Nebenintervenientin einen Antrag gestellt, wegen Nichtvornahme der Auskunft gemäß dem arbeitsgerichtlichen Urteil ein Zwangsgeld festzusetzen. Ihr ist zuvor am 5. Juni 2015 eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils erteilt worden.
Die Nebenintervenientin hat gemeint, jeder der Beteiligten wisse, welche Auskunft erteilt werden solle. Die Auskunft solle für den Zeitraum vom 15. Mai 2013 bis 30. April 2014 so erteilt werden, wie sie mit Schriftsatz vom 12. November 2014 bereits ab dem Zeitpunkt Mai 2014 erteilt worden sei. Aufgrund des Franchisevertrages sei die Schuldnerin verpflichtet, alle fortlaufenden Geschäfte und Provisionen zu melden. Die geschuldeten Auskünfte könnten mithilfe der EDV innerhalb von 5 bis 10 Minuten ausgedruckt werden.
Die Schuldnerin hat die Auffassung vertreten, der arbeitsgerichtliche Titel stelle keine hinreichend bestimmte Grundlage für eine Zwangsvollstreckung dar. Es müsse sich aus dem Inhalt des Titels für jeden Dritten eindeutig ergeben, welche Handlungsverpflichtung auferlegt worden sei. Unklar sei hier, ob e...