Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung. Verfahrensgebühr. Höhe der Erstattung der Verfahrensgebühr in der Rechtsmittelinstanz
Leitsatz (amtlich)
Die beim Rechtsmittelgegner entstandene Verfahrensgebühr ist nur in 1.1-facher Höhe und nicht in 1.6-facher Höhe erstattungsfähig, wenn der Prozessbevollmächtigte des Rechtsmittelgegners den Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels schon vor dessen Begründung stellt und das Rechtsmittelverfahren endet, ohne dass das Rechtsmittel begründet wurde.
Normenkette
ZPO § 91; VV RVG Nrn. 3506-3507, 3201
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 10.08.2012; Aktenzeichen 3 Ca 1307/09) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 10. August 2012 - 3 Ca 1307/09 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens und die Gerichtskosten in Höhe von 40 € zu tragen.
Gründe
I. Die Beklagte erhob am 22. März 2012 beim Bundesarbeitsgericht eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 31. Januar 2012 (10 AZN 726/12). Am 16. Mai 2012 wurde die Nichtzulassungsbeschwerde auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen, weil sie nicht in der bis 7. Mai 2012 laufenden Frist begründet wurde.
Bereits mit Schriftsatz vom 28. März 2012 hatten sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin beim Bundesarbeitsgericht gemeldet und beantragt, die "Beschwerde, so sie als zulässig erachtet werden kann, kostenpflichtig zurückzuweisen".
Mit dem Antrag vom 5. Juni 2012 beantragte die Klägerin Kostenfestsetzung nebst Zinsen gegen die Beklagte wie folgt:
Gegenstandswert: |
10.098,39 € |
Verfahrensgebühr, Revision § 13 RVG, Nr. 3206 VV RVG 1,6 |
841,60 € |
Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
Zwischensumme netto |
861,60 € |
19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG |
163,70 € |
zu zahlender Betrag |
1.025,30 € |
Durch Beschluss vom 10. August 2012 setzte der Rechtspfleger beim Arbeitsgericht die Kosten auf über 712,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Juni 2012 fest mit der Begründung, die Antragstellung der Klägerin im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren sei verfrüht gewesen. Dementsprechend könne nur eine 1,1- fache, nicht aber eine 1,6-fache Verfahrensgebühr (nebst Telekommunikationspauschale und Mehrwertsteuer) festgesetzt werden, insgesamt also 712,33 €.
Nach Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses am 21. August 2012 erhob die Klägerin, eingegangen am 4. September 2012, sofortige Beschwerde mit der Begründung, das Gebot der kostengünstigsten Prozessführung verbiete allenfalls im Rechtsmittelverfahren die gebührenerhöhende Antragstellung vor der Vorlage der Rechtsmittelbegründung, nicht aber im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren, das das Rechtsmittel erst eröffnen soll. Anders als im Rechtsmittelverfahren wirke der Antrag im schriftlichen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren sofort mit dem Eingang bei Gericht. Außerdem könne aus dem Unterbleiben des Zurückweisungsantrags geschlossen werden, dass auch der Beschwerdegegner ein Interesse an der Klärung der fraglichen Rechtsfragen habe.
Der Rechtspfleger hat der sofortige Beschwerde am 14. November 2012 nicht abgeholfen und die Sache dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Beschwerdeverfahren wird ergänzend auf den Akteninhalt im übrigen Bezug genommen.
II. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gemäß den §§ 104 Satz 3; 567 Abs. 2; 11 Abs. 1 RpflG; 78 ArbGG statthaft, der Beschwerdewert von mehr als 200 € ist erreicht. Auch im übrigen ist die Beschwerde zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt.
Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen (§ 572 Abs. 1 ZPO).
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Der Rechtspfleger hat die der Klägerin von der Beklagten zu erstattenden Kosten zu recht auf nur 712,33 € statt der beantragten 1025,30 € festgesetzt.
Die Differenz ergibt sich aus der Reduzierung der Verfahrensgebühr von 1,6-fachen auf das 1,1- fache. Diese ist ihrer Höhe nach genauso unbezweifelt wie die übrigen Positionen der Kostenfestsetzung.
Die Verfahrensgebühr ist zwar in voller Höhe dadurch entstanden, dass die Klägerin schriftsätzlich den Zurückweisungsantrag beim Bundesarbeitsgericht stellte, ohne dass es auf das Vorliegen einer Nichtzulassungsbeschwerdebegründung angekommen wäre. Die 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nummer 3506 VV RVG entsteht im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren für das Betreiben des Geschäfts; hierzu gehört unter anderem das Einreichen von Schriftsätzen bei Gericht. Die Verfahrensgebühr ermäßigt sie sich jedoch nach Nr. 3507 VV RVG i.V.m. Nr. 3201 VV RVG bei einer vorzeitigen Beendigung des Auftrags; diese liegt unter anderem dann vor, wenn der Auftrag endet, bevor der Rechtsanwalt einen Sachanträge oder Sachvortrag enthaltenden Schriftsatz eingereicht hat (Nr. 3201 Satz 1 Nr. 1 VV RVG). Danach ist hier die 1,6-fache Ver...