Entscheidungsstichwort (Thema)
BR-Wahl: Nichtigkeit des Wahlvorstandes
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Arbeitgeber kann sich nicht auf die (angebliche) Nichtigkeit einer Wahl eines Wahlvorstandes zur Durchführung einer erstmaligen BR-Wahl berufen, wenn er selbst seiner Verpflichtung, die ihm von einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft zur Verfügung gestellten Einladungsschreiben zur Wahl-Betriebsversammlung, an-diejenigen im Urlaub, Krankenstand, Wehrdienst, auswärtigen Einsatz befindlichen und längere Zeit betriebsabwesenden Mitarbeiter zu versenden, nicht nachgekommen ist.
2. Lädt eine für den Betrieb fachlich zuständige Gewerkschaft zu einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes für die Durchführung einer erstmaligen Betriebsrats-Wahl ein, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, daß sie im Betrieb vertreten ist.
3. Im Eilbeschlußverfahren kann die im Wege einer einstweiligen Leistungsverfügung zur Durchsetzung von Wahlvorbereitungsmaßnahmen gebotene Maßnahme mit einem an einem bestimmten Termin verfallenden Zwangsgeld bewehrt werden für den Fall, daß bis dahin dem Gebot keine Folge geleistet wird und anders der mit dem Gebot, verbundene Zweck zeitlich nicht (mehr) erreichbar ist.
Normenkette
BetrVG § 44 I, § 17 I
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Beschluss vom 03.03.1994; Aktenzeichen 4 BV Ga 4/94) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 03.03.1994 – 4 BV Ga 4/94 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung mit folgender Maßgabe stattgegeben wird:
Der Arbeitgeberin wird bei Meidung eines Zwangsgeldes in Höhe von 20.000,– DM (i.W. zwanzigtausend Deutsche Mark) für den Fall der Nichtvornahme aufgegeben, dem Wahlvorstand und Antragsteller bis zum 15.04.1994 alle für die Anfertigung der Wählerliste erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; insbesondere ist eine Liste zur Verfügung zu stellen, in der
aufgeführt sind.
Im übrigen wird der Antrag des Wahlvorstandes zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung findet kein Rechtsmittel statt.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten im Eilbeschlußverfahren über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, dem Wahlvorstand (Antragsteller = ASt.) die Daten gem. § 2 Abs. 2 WO zum BetrVG zur Verfügung zu stellen.
Wegen der hierzu erstinstanzlich getroffenen Sachfeststellungen, der Einzelheiten der erstinstanzlichen Antragstellung und der Begründung für die angefochtene Entscheidung wird auf Bl. 19, 20 d.A. Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat der Antragsgegnerin (AGg.) „aufgegeben, bei Meidung eines Zwangsgeldes bis zu 50.000,– DM bzw. Zwangshaft zu vollziehen an den Geschäftsführern J. und M. M. eine vollständige ordnungsmäßige Wahlliste zur Durchführung der Betriebsratswahl zur Verfügung zu stellen” (Bl. 18 d.A.).
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde rügt die AGg. zunächst, ihr könne nicht die „ordnungsgemäße Wahlliste” aufgegeben werden, da deren Erstellung ggfs. ausschließliche Sache des ASt. sei. Auch sei der Wahlvorstand nicht ausreichend demokratisch legitimiert. Das Einladungsschreiben der ÖTV vom 21. Jan. 1994 für die Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes am 05. Febr. 1994 sei erst am 28. Jan. 1994 bei ihr eingegangen. Auch habe sie deren Verteilung berechtigt abgelehnt. Von dieser Betriebsversammlung hätten, wie durch die eidesstattliche Versicherung H (Bl. 102 d.A.) belegt werde, mindestens 11 Mitarbeiter keine Kenntnis gehabt und mithin auch nicht teilnehmen können. Von daher sei diese Wahl nichtig, weshalb der Antrag zurückzuweisen sei.
Der ASt. beantragt Zurückweisung der Beschwerde und hat im Beschwerdeverfahren seinen erstinstanzlichen Antrag wie folgt neu gefaßt:
Der Antragsgegnerin aufzugeben, dem Wahlvorstand alle für die Wählerliste erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Unterlagen 3-fach zur Verfügung zu stellen, bestehend aus einer Liste, in der – nach Arbeitern und Angestellten (ohne die, die die Antragsgegnerin für leitende Angestellte i.S. des § 5 Abs. 3, 4 BetrVG hält) getrennt – in alphabetischer Reihenfolge die Arbeitnehmer ihrer Niederlassung in M. und D. (einschließlich Aushilfen) mit Familiennamen, Vornamen, Geburtsdatum aufgeführt sind, für den Fall der Nichtvornahme wird der Antragsgegnerin ein Zwangsgeld bis zu 50.000,– DM bzw. Zwangshaft, zu vollziehen an den Geschäftsführern J. und M. M., auferlegt.
Gegenüber dem Beschwerdevorbringen macht er durch eidesstattliche Versicherungen des Lagerarbeiters S. (Bl. 93 d.A.) geltend, die Einladungen zur Betriebsversammlung hätten ab dem 31. Jan. 1994 an verschiedenen Ein- und Durchgangstüren sowie de...