Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltungsbereich VTV-Bau. Höhe der Entschädigung. Unerkannter Meister
Leitsatz (amtlich)
1. Ist in einem Betrieb eine Person mit Meisterqualifikation tätig, deren Meisterqualifikation dem Arbeitgeber nicht bekannt ist, muss sie im Rahmen der Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts zu sog. „Sowohl-als-auch”-Tätigkeiten unberücksichtigt bleiben.
2. Die Höhe der Entschädigung gem. § 61 Abs. 2 Satz 1 ArbGG bei nicht fristgerechter Auskunftserteilung gegenüber der ZVK-Bau ist regelmäßig auf 25 % der potentiellen Beiträge begrenzt (so bereits Kammerurteil vom 12. Mai 2003 – 15 Sa 896/01 –, zur Veröff. vorgesehen).
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Bau, § 4 Abs. 2, § 5 Abs. 4; VTV-Bau 1986 § 1 Abs. 2 Abschn. II, Abs. 2 Abschn. VII, § 27 Abs. 1, 4
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 30.09.1998; Aktenzeichen 6 Ca 691/98) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 30. September 1998 – 6 Ca 691/99 – teilweise abgeändert (unter Zurückweisung von Berufung und Anschlussberufung bezüglich Auskunft und Entschädigungszahlung im Übrigen), wobei der Tenor insoweit zur Klarstellung wie folgt neu gefasst wird:
1) Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen, wieviele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Januar bis November 1997 im Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsummen und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind, und
2) für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an den Kläger folgende Entschädigung zu zahlen:
13.027,53 Euro (i. W.: Dreizehntausendsiebenundzwanzig 53/100 Euro).
Im Übrigen wird die Klage auf Entschädigungszahlung abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im vorliegenden Rechtsstreit in erster Linie um die Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger Auskünfte und für den Fall nicht fristgerechter Auskunftserteilung eine Entschädigung zu zahlen.
Der Kläger in der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit ist die tarifvertraglich bestimmte Einzugsstelle aller S.; er führt das gemeinsame Beitragskonto eines jeden tarifunterworfenen Arbeitgebers.
Die Parteien sind unterschiedlicher Auffassung hinsichtlich der Frage, ob der Betrieb des Beklagten im Jahre 1997 dem betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986 (VTV) – vgl. § 1 Absatz 2 VTV – in den für den genannten Zeitraum maßgeblichen jeweiligen Fassungen, in welchen der VTV durchgehend für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, unterfiel und ob der Beklagte damit für den Zeitraum von Januar bis November 1997 einschließlich nach dem VTV auskunftspflichtig ist.
Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, im Betrieb des Beklagten seien im Kalenderjahr 1997 zu mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit folgende Tätigkeiten ausgeführt worden:
- Verfugungen von Beton,
- Glasversiegelungen,
- Anschlussverfugungen und
- Verfugungen im Sanitärbereich.
Dazu hat der Kläger die Ansicht vertreten, der Betrieb des Beklagten sei nicht als Betrieb des Glaserhandwerks vom Geltungsbereich des VTV ausgenommen. Der Beklagte missverstehe bei seiner gegenteiligen Argumentation die einschlägige Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts, und zudem werde bestritten, dass der Arbeitnehmer D. M. Glasergeselle sei und die übrigen Arbeitnehmer bei der Ausführung der Tätigkeiten überwacht habe. Damit schulde der Beklagte Auskünfte bezüglich der in den Monaten von Januar bis November 1997 beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer sowie im Falle nicht fristgerechter Auskunftserteilung eine Entschädigung von 95.300,– DM, d.h. den Betrag, der ausgehend von 12 gewerblichen Arbeitnehmern im angegebenen Zeitraum etwa 80 % der mutmaßlichen tarifvertraglich geschuldeten Beiträge entspreche.
Der Kläger hat dementsprechend erstinstanzlich letztlich beantragt (die Wiedergabe des Antrags im angefochtenen Urteil entspricht in der Formulierung nicht dem maßgeblichen Protokoll vom 30. September 1998 i.V.m. der Klageschrift = Blatt 1 d.A.),
den Beklagten zu verurteilen,
- ihm auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Januar bis November 1997 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsumme und welche...