keine Angaben zur Anfechtbarkeit

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltungsbereich. Bautarifvertrag. überwiegend bauliche Leistungen. Zusammenhangstätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Beantwortung der Frage, ob von einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend bauliche Leistungen im Sinne der betrieblichen Geltungsbereichsbestimmungen des § 1 Anbs. 2 VTV/Bau erbracht werden, ist die Arbeitszeit des Betriebsinhabers selbst grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.

2. Anderes gilt dann, wenn es sich bei den von den Arbeitnehmern erbrachten Tätigkeiten um solche handelt, die zwar nicht selbst baulich sind, die jedoch die Durchführung der Bauleistungen unterstützen und fördern. Um eine derartige Zusammenhangstätigkeit handelt es sich auch dann, wenn die Tätigkeit der einzigen Arbeitnehmerin des Betriebes darin besteht, die Büroräume zu reinigen. Für diese Arbeitnehmerin schuldet der Arbeitgeber die Zahlung von Sozialkassenbeiträgen.

 

Normenkette

TVG 1; VTV/Bau 1 II

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 29.01.2008; Aktenzeichen 1 Ca 8/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 29. Januar 2008 – 1 Ca 8/08 – abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.355,74 EUR (in Worten: Viertausenddreihundertfünfundfünfzig und 74/100 Euro) zu zahlen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Zahlungsverpflichtungen des Beklagten nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes für den Zeitraum Juni 2002 bis Juni 2006.

Die Klägerin ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Der Beklagte unterhält einen Betrieb, von dem Holz- und Bautenschutzarbeiten sowie Abbrucharbeiten durchgeführt werden. Daneben stellt er in einem geringen Umfang Drahtgestelle für Dekorationszwecke her. In der Zeit von Juni 2002 bis August 2007 beschäftigte der Beklagte als einzige Arbeitnehmerin seine Tochter in einem Teilzeitarbeitsverhältnis.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Beklagte habe im Klagezeitraum einen baugewerblichen Betrieb im Sinne der Bautarifverträge unterhalten. Demzufolge schulde er für seine von ihm beschäftige Tochter die Zahlung von Sozialkassenbeiträgen. Diese sei im Betrieb tätig gewesen und habe Material zur Durchführung der baulichen Leistungen besorgt, den Materialtransport zur Baustelle vorgenommen, Handlangerarbeiten an der Baustelle durchgeführt, Restaurationen durchgeführt, die Lagerhaltung vorgenommen, Baustellen eingerichtet und gesäubert sowie die Büroräume gereinigt. Die Höhe der Beitragsforderung ergebe sich aus den vom Arbeitsamt für die Klagemonate ermittelten Bruttolöhnen sowie dem tariflichen Beitragssatz.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 4.355,74 zu zahlen;

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, die von ihm in seinem Betrieb durchgeführten Arbeiten seien allein von ihm erbracht worden. Bauliche Tätigkeiten habe seine Tochter nie durchgeführt. Diese habe ihm vielmehr mit dem Computer geholfen, Botengänge erledigt, sich im Haushalt nützlich gemacht und Reinigungsarbeiten durchgeführt. Auf Tätigkeiten für den Betrieb seien nur ca. 11% der Arbeit der Tochter entfallen.

Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung der Tochter des Beklagten als Zeugin im Wege der Rechtshilfe mit Urteil vom 29. Januar 2008 die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 64 bis 69 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 01. September 2008 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Sie verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter und trägt vor, das Arbeitsgericht habe übersehen, dass die von der Zeugin bekundete Tätigkeit im Betrieb des Beklagten, nämlich die Reinigung der Büroräume, der baulichen Tätigkeit des Beklagten selbst kraft Sachzusammenhangs zuzurechnen sei, woraus eine Pflicht des Beklagten zur Abführung von Sozailkassenbeiträgen für seine Tochter resultiere.

Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung, verteidigt das erstinstanzliche Urteil, trägt vor, bei seiner Tochter habe es sich nie um eine gewerbliche Arbeitnehmerin gehandelt.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 01. September 2008 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und ...

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