Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung. vorgetäuschte Krankheit. Erkrankung aufgrund einer ausgesprochenen Kündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

Auch die Kündigung selbst - auch wegen des im Anschluss daran geführten Gesprächs über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende der Kündigungsfrist - kann eine Situation darstellen, die zu einer Destabilisierung des kurz zuvor noch stabilen Gesundheitszustandes führen kann.

 

Normenkette

BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Entscheidung vom 09.02.2012; Aktenzeichen 3 Ca 440/11)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 09. Februar 2012 - 3 Ca 440/11 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der Beklagte betreibt eine Rechtsanwaltskanzlei und beschäftigte die Klägerin als Rechtsanwaltsfachangestellte seit dem 01. August 2011 auf der Basis des Arbeitsvertrags vom 25. Juli 2011 (Bl. 4 d.A.) im wöchentlichen Umfang von 16 Stunden bei einer monatlichen Vergütung von 800,00 € brutto zzgl. 80,00 € Fahrtkostenpauschale.

Am Morgen des 14. November 2011 übergab die Klägerin dem Beklagten eine schriftliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 2011. Der Beklagte fragte sie, ob sie bereit sei, unter Abgeltung des noch offenen Urlaubsanspruchs bis zum 30. November 2011 zu arbeiten. Die Antwort der Klägerin ist streitig. Nach diesem Gespräch verließ der Beklagte die Kanzlei wegen auswärtiger Termine. Bei seiner Rückkehr stellte er fest, dass die Klägerin die in ihrem Eigentum stehenden Gegenstände (Monitor, Funkmaus und Kaffeemaschine) aus den Büroräumen entfernt hatte.

Am 15. November 2011 ging beim Beklagten eine am 14. November 2011 ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Klägerin ein. Die Klägerin war im Anschluss daran bis zum 30. November 2011 krankgeschrieben.

Mit Schreiben vom 15. November 2011, wegen dessen Inhalt auf Bl. 5 d.A. verwiesen wird, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis seinerseits außerordentlich. Er begründete dies damit, dass die Klägerin an diesem Tag unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben sei und die Gerichtsakte für einen auswärtigen Termin des Beklagten nicht herausgelegt habe.

Mit der am 24. November 2011 eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen diese Kündigung, die sie für unbegründet hält. Soweit die Klägerin darüber hinaus Zahlungsanträge angekündigt hat, hat das Arbeitsgericht die Klage abgetrennt und als eigenes Verfahren weitergeführt. Einen allgemeinen Feststellungsantrag hat die Klägerin zurückgenommen.

Der Beklagte hat behauptet, das vorgelegte Attest sei ein Gefälligkeitsattest. Die Klägerin sei nicht krank gewesen, sondern habe die Krankheit vorgetäuscht.

Wegen des zu Grunde liegenden Sachverhalts im Übrigen, des Vorbringens der Parteien und ihrer Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl 36R, 37 d.A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und dies damit begründet, dass der Beklagte den angegebenen Kündigungsgrund, nämlich das Vortäuschen einer Krankheit nicht bewiesen, insbesondere den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht erschüttert oder gar entkräftet habe. Sein Sachvortrag beschränke sich auf Mutmaßungen und allgemeine Darlegungen im Hinblick auf ein möglicherweise auch kurzfristiges Auftreten einer Krankheit. Es sei aber durchaus nicht abwegig, dass im Laufe eines Tages Arbeitsunfähigkeit auftritt, insbesondere nach Konfliktsituationen.

Gegen dieses Urteil vom 09. Februar 2012, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung des Beklagten.

Der Beklagte äußert die Auffassung, das Arbeitsgericht habe gegen seine Hinweispflicht verstoßen, indem es erst in den Urteilsgründen mitgeteilt habe, dass es seinen Beweisvortrag nicht für ausreichend erachte. Außerdem habe es durch die Ablehnung einer Schriftsatzfrist vereitelt, dass der Beklagte zu den beleidigenden Äußerungen im Schriftsatz der Klägerin vom 26. Januar 2012 noch Stellung nehmen konnte.

Er habe durch das Angebot eines medizinischen Fachgutachtens über die Arbeitsfähigkeit der Klägerin in zulässiger Weise Beweis für seine der Kündigung zu Grunde liegenden Behauptungen angeboten. Die Klägerin habe gegenbeweislich ihre Ärztin benannt. Diesen Beweisangeboten habe das Arbeitsgericht nachkommen müssen.

Das Arbeitsgericht habe auch fehlerhaft angenommen, dass die Beweiskraft der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht erschüttert sei. Das Folgeverhalten der Klägerin zeige, dass sie tatsächlich nicht krank war, sondern bereits beim Ausspruch ihrer Kündigung beabsichtigte, sich ein Gefälligkeitsattest ausstellen zu lassen. Da sie ihm zugesagt habe, bis zum Ende der Kündigungsfrist weiterzuarbeiten, habe es überhaupt keinen Sinn ergeben, dass sie ihre persönlichen Gegenstände mitnahm. Zu diesem Zeitpunkt habe sie noch nicht ahnen können, dass sie erkranken ...

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