Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilnahme eines Treppen und Geländer aus Metall herstellenden und montierenden Betriebes am Sozialkassenverfahren des Baugewerbes
Leitsatz (amtlich)
1. Die Herstellung und anschließende Montage von Treppen und Geländern aus Metall ist keine bauliche Tätigkeit i.S.d. § 1 Abs. 2 VTV-Bau. Die Herstellung ist insbesondere keine bloße Zusammenhangstätigkeit zu der sich anschließenden Montage, die für sich betrachtet baulichen Charakter hat.
2. Zur Zulässigkeit einer Klageänderung in der zweiten Instanz, wenn sich die ULAK nach Inkrafttreten des SokaSiG auf die neue Anspruchsgrundlage stützen will.
Normenkette
SokaSiG § 7; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; VTV-Bau § 1 Abs. 2 Abschn. II; ZPO §§ 533, 263
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 01.03.2017; Aktenzeichen 11 Ca 193/15) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 1. März 2017 - 11 Ca 193/15 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zum Sozialkassenverfahren des Baugewerbes.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), der in der Vergangenheit regelmäßig für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, hat er nach Verbindung von fünf ursprünglich getrennten Verfahren Zahlung von Beiträgen in Höhe von 11.517 Euro begehrt. Dabei handelt es sich um seitens der Beklagten gemeldete Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer in dem Zeitraum Juni 2012 bis September 2012 sowie für Angestellte in dem Zeitraum Juni 2012 bis August 2012 nebst Zinsen.
Im Betrieb der Beklagten wurden im streitgegenständlichen Zeitraum Metallkonstruktionen wie Balkongeländer, Treppen sowie Geländer aus Metall hergestellt und montiert. Teilweise wurden Metallkonstruktionen nur hergestellt und der Einbau erfolgte durch Dritte. Eine Mitgliedschaft in der Metallbauinnung besteht seit 27. September 2012.
Das Bundesarbeitsgericht hat mit zwei Beschlüssen vom 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - sowie - 10 ABR 48/15 - entschieden, dass die AVE 2008 und 2010 sowie die AVE 2014 des VTV unwirksam sind. Mit Beschlüssen vom 25. Januar 2017 - 10 ABR 43/15 - sowie 10 ABR 34/15 - hat das Bundesarbeitsgericht ferner entschieden, dass die AVE 2012 und 2013 unwirksam sind. Daraufhin ist ein Gesetzgebungsverfahren zur Stützung des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe initiiert worden. Der Deutsche Bundestag hat am 26. Januar 2017 das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (SokaSiG) verabschiedet. Das Gesetz ist am 25. Mai 2017 in Kraft getreten. Es sieht vor, dass der VTV in seiner jeweiligen Fassung rückwirkend bis zum Jahr 2006 ohne Rücksicht auf eine AVE "gelten" soll.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte zur Beitragszahlung verpflichtet sei. Er hat behauptet, die in dem Betrieb der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer hätten ab 25. Juni 2012 bis 31. Dezember 2012 jeweils zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit Stahltreppen, -Geländer und Balkone hergestellt und montiert. Die Herstellung der Treppen und Geländer sei eine erforderliche Zusammenhangstätigkeit zu der anschließenden Montage. Er bestreite, dass auf die Herstellung der Stunden mehr Zeit als auf die Montage entfallen sei. Er hat ferner gemeint, hierbei handele es sich um Zimmerarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 42 VTV.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.517 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass sie nicht verpflichtet sei, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen. Sie hat gemeint, die Herstellung eines Werkstücks im Metallbau sei nicht lediglich als eine Vor-, Nach- oder Hilfstätigkeit für die bauliche Arbeit, dem Einbau vor Ort, anzusehen. Der Einbau sei vielmehr typischerweise Teil des Gesamtauftrages und der Fertigung untergeordnet. Die Fertigung eines Werkstücks aus Metall und nicht der Einbau stünde im Vordergrund. In dem Betrieb hätten neben dem Geschäftsführer der Beklagten, Herrn A, die Herren B, C, D, E und F gearbeitet. Es seien für die Fertigung 2.359 Stunden und für die Montage 736,5 Stunden aufgewandt worden. Nicht einmal 30 % der Gesamtarbeitsleistungen - ohne Einbeziehung des Geschäftsführers - sei auf den Baubereich entfallen. Schließlich hat sie gemeint, der Verzugszinssatz in Höhe von 1 % der ausstehenden Beiträge pro Monat sei sittenwidrig.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 1. März 2017 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei nicht nach § 5 Abs. 4 TVG an den VTV gebunden. Aufgrund der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Januar 2017 stünde fest, dass die AVE 2012 unwirksam sei. Der Kläger könne sich auch nicht auf eine Nachwirkung nach § 4 Abs....