Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadenersatz. arbeitnehmerähnliche Person. Haftungsbegrenzung. Haftung arbeitnehmerähnlicher Personen. Eingliederung in Betrieb. Beschränkung der Haftung
Leitsatz (amtlich)
Arbeitnehmerähnliche Personen haften jedenfalls dann nur beschränkt wie Arbeitnehmer nach den vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Kriterien, wenn sie wie ein Arbeitnehmer über die wirtschaftliche Abhängigkeit hinaus in den Betrieb des "Arbeitgebers" eingegliedert sind.
Normenkette
BGB §§ 280, 254 Abs. 1, § 611
Verfahrensgang
ArbG Gießen (Entscheidung vom 30.04.2012; Aktenzeichen 3 Ca 136/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 30. April 2012 - 3 Ca 136/11 - abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 17.000,00 EUR (in Worten: Siebzehntausend und 00/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 11. November 2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 88 %, der Beklagte 12 % zu tragen. Ausgenommen davon sind die Kosten der Anrufung des unzuständigen Landgerichts Gießen. Diese hat die Klägerin in vollem Umfang zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadenersatz aus übergegangenem Recht gem. § 67 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) a.F. bzw. § 86 VVG n.F.
Der Regressforderung liegt ein Feuerschaden vom 13. August 2008 in B zugrunde. Dort befindet sich einer von acht Produktionsstandorten der A. Kernstück der Produktion in B sind zwei Trocknungsanlagen, welche durch die Trockenwerk Hessen GmbH als Tochterunternehmen betrieben werden. In diesen beiden Trocknern werden verschiedene Milch- und Sahnepulver sowie vergleichbare Produkte für die Lebensmittelindustrie hergestellt.
Der Beklagte war bis Mai 2006 als Schlosser in einem Handwerksunternehmen angestellt, welches in Insolvenz fiel und seinen Betrieb einstellen musste. Seit diesem Zeitpunkt war der Beklagte als Schlosser selbständig tätig und führte überwiegend oder sogar ausschließlich auf eigene Rechnung verschiedenste Schlosserarbeiten in dem Trockenwerk in B aus.
Der Beklagte war im Zeitraum von 2005 bis 2009 ausschließlich und dauerhaft für die C tätig, zunächst im Milchwerk, sodann nach einer Unterbrechung von ca. 4 Monaten ab 2006 ca. 3 ½ Jahre durchgehend und praktisch ausschließlich im Trocknungswerk, wobei er durchschnittlich an 4 Tagen pro Woche im Zeitraum zwischen 7 und 18 Uhr arbeitete, auch wenn er in zeitlicher Hinsicht eine gewisse Freiheit besaß. Es bestand faktisch eine stillschweigende Übereinkunft zwischen ihm und der C, dass er sich während der Kernarbeitszeiten von etwa 7 Uhr morgens bis 18 Uhr abends im Trockenwerk für zu erledigende Aufgaben bereit hielt. In der Regel kam der Beklagte morgens unabhängig von bereits erteilten Aufträgen um 7 Uhr in das Trockenwerk und meldete sich bei dem Betriebsleiter D, der ihm die zu erledigenden Arbeiten aufgab. Weisungen erhielt er auch von weiteren Vorarbeiter und Werkstattmeistern. Dem Beklagten wurden alle Werkzeuge und Materialien von der C zur Verfügung gestellt. Ihm war eine Werkstatt im Keller des Gebäudes zugewiesen. Ein eigenes Büro hatte der Beklagte nicht, weder auf dem Gelände der Hochwaldgruppe noch anderswo. Seine Arbeiten wurden von den Mitarbeitern der C kontrolliert. Ihm wurde die Reihenfolge der Arbeiten vorgegeben. Urlaub hatte er sich von dem Betriebsleiter D genehmigen zu lassen. Seine Arbeiten dokumentierte der Beklagte auf Rapport-Zetteln, in denen die Arbeitstage, die geleisteten Stunden pro Tag und die ausgeführten Arbeiten in Stichworten aufgezählt waren. Die beispielhaft vorliegenden Rapport-Zettel aus dem Zeitraum Dezember 2005 bis August 2008 (Bl. 52, 54, 55, 57, 58, 243, 244, 245 d. A.) weisen eine wöchentliche Arbeitszeit zwischen 36,5 und 45,5 Stunden aus an in der Regel 4 Tagen pro Woche. Lediglich in der Woche vom 15. April 2008 bis 17. April 2008 waren nur 29,25 Arbeitstunden angefallen. Die von dem Beklagten geschriebenen Rechnungen (vgl. z. B. Bl. 51, 53 und 56 d. A.) zeigen, dass der Beklagte auf Stundenbasis abrechnete und zunächst 30 €, später 32,50 € in Rechnung stellte. Der Beklagte erzielte auf dieser Weise einen monatlichen "Netto" - Verdienst zwischen 5.200,00 und 6.200,00 €.
Am 13. August 2008 war der Beklagte beauftragt worden, an einem der Trocknertürme (Dec 1) einige weitere sogenannte Klopfer zu montieren, nachdem er diese Arbeit am Tag zuvor bereits an dem - abgeschalteten - Trockenturm Dec 2" durchgeführt hatte. Diese Klopfer sind eine Art Abklopf-Hammer, mit denen auf die Behälterwandungen geschlagen werden kann, um die dort anhaftenden Milchpulverrückstände mechanisch abzuschlagen. Für die Montage dieser Klopfer mussten außen an den Trocknungsbehältern Stahlplatten aufgeschweißt werden. Anschließend wird dann von innen durch die Wandung des Behälters hindurch der jeweilige Klopfer auf diese Stahlplatte aufgeschraubt.
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