Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen voller Erwerbsminderung und Urlaubsanspruch. Urlaubsanspruch bei befristeter Erwerbsunfähigkeitsrente. Vertrag über Urlaubsansprüche
Leitsatz (amtlich)
Der Urlaubsanspruch gemäß den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG und § 125 SGB IX steht nicht unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum eine Arbeitsleistung erbracht hat.
Daran ändert sich auch nichts, wenn der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum eine befristete Erwerbsunfähigkeitsrente erhalten hat.
Dieser Urlaubsanspruch ist nicht dispositiv.
Normenkette
BUrlG §§ 1, 3; SGB IX § 125; BUrlG § 13 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Gießen (Entscheidung vom 19.03.2013; Aktenzeichen 5 Ca 386/12) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 19. März 2013 - 5 Ca 386/12 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auch im zweiten Rechtszug um Urlaubsabgeltungsansprüche.
Die Beklagte ist ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels.
Die Klägerin war in der Zeit vom 01. April 1980 bis zum 31. Oktober 2012 bei der Beklagten als Verkäuferin/Kassiererin im Umfang von zuletzt 16,5 Stunden pro Woche beschäftigt. Ihre Vergütung betrug 13,78 Euro brutto pro Stunde, monatlich 989,12 Euro brutto. Die Klägerin ist schwerbehindert.
Die Klägerin war seit dem 15. März 2008 dauerhaft arbeitsunfähig und erhielt ab dem 01. Mai 2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, die zunächst befristet war. Am 14. September 2010 schlossen die Parteien eine Vereinbarung, nach der das Beschäftigungsverhältnis für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Oktober 2012 aufgrund des Bezugs von Rente wegen voller Erwerbsminderung ruhte. In Ziffer 2 heißt es:
"2. Während des Bezugs von Rente wegen voller Erwerbsminderung hat die Mitarbeiterin keine Arbeitsleistung zu erbringen und erwirbt auch keinerlei Ansprüche jeglicher Art aus dem Beschäftigungsverhältnis."
Wegen des weiteren Inhaltes der Vereinbarung wird auf Bl. 5 d. A. verwiesen.
Seit dem 01. November 2012 erhält die Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer.
Mit Schreiben vom 31. Juli 2012 hatte die Klägerin die Beklagte erfolglos zur Zahlung von Urlaubsabgeltung für den Urlaub der Jahre 2008 bis 2012 in Höhe von 7.648,03 Euro aufgefordert.
Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin nunmehr nur noch Urlaubsabgeltungsansprüche für die Jahre 2011 und 2012. Für das Jahr 2011 macht die Klägerin einen Gesamturlaubsanspruch inklusive des Zusatzurlaubs wegen der Schwerbehinderung von sieben Wochen und für 2012 anteilig von 10/12 davon geltend.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.917,92 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. August 2012 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, dem primären Zweck des Urlaubsanspruchs, nämlich den auf Erholung, könne die Klägerin im vorliegenden Falle nicht entsprechen. Aufgrund des Rentenbezugs der Klägerin sei ein Urlaubsanspruch nicht entstanden. Jedenfalls ergebe sich aus der Vereinbarung der Parteien vom 14. September 2010, dass ein über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehender Anspruch nicht entstanden sei.
Durch Urteil vom 19. März 2013 hat das Arbeitsgericht der Klage in Höhe von 2.084,23 € nebst Zinsen ab 01. November 2012 stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen, im Wesentlichen mit der Begründung, der gesetzliche Mindesturlaub und der gesetzliche Zusatzurlaub für Schwerbehinderte stünde der Klägerin zu (4 Wochen plus 1 Woche). Dies ergebe unter Berücksichtigung der Begrenzung auf 10/12 des Urlaubs für 2012 die ausgeurteilte Summe. Der Urlaubsabgeltungsanspruch sei nicht von einem Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers abhängig und entstünde auch, wenn das Arbeitsverhältnis wegen des befristeten Bezugs einer Erwerbsunfähigkeitsrente ruhe. Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 43 - Bl. 49 d. A.).
Gegen dieses der Beklagten am 09. April 2013 zugestellte Urteil hat diese im Umfang ihrer Verurteilung mit einem am 29. April 2013 beim erkennenden Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 5. Juni 2013 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Klägerin habe "faktisch" schon ab 2009 nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten gestanden. Seit dem ruhten sämtliche gegenseitigen Rechte und Pflichten. Außerdem habe man durch die Vereinbarung vom 14. September 2010 wirksam über das Arbeitsverhältnis disponiert. Auch daraus ergebe sich der Wegfall der begehrten Urlaubsabgeltung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 19. März 2013 - 5 Ca 386/12 - abzuändern und die Klage ganz abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie verweist darauf, dass sie bis 31...