Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit der Verlängerung der Probezeit aufgrund Unterbrechung der Ausbildung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Klausel eines Berufsausbildungsvertrages mit dem Wortlaut "Wird die Ausbildung während der Probezeit um mehr als ein Drittel unterbrochen, verlängert sich die Probezeit um den Zeitraum der Unterbrechung" ist aufgrund einer Abweichung von den Vorschriften des BBiG zu Lasten des Auszubildenden unwirksam, sofern sie dem Ausbilder ermöglicht, über die Dauer der nach § 20 S. 2 BBiG zulässigen Höchstdauer der Probezeit von vier Monaten hinaus das Ausbildungsverhältnis unter den erleichterten Bedingungen von § 22 Abs. 1 BBiG zu kündigen (entgegen BAG 15. Januar 1981 - 2 AZR 943/78 - BAGE 36/94).

 

Normenkette

BBiG § 20 S. 2, § 22 Abs. 1, § 25

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 23.09.2014; Aktenzeichen 4 Ca 3481/14)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. September 2014 - 4 Ca 3481/14 - zum Teil abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 06. Mai 2014 nicht aufgelöst wurde.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses.

Die Beklagte ist ein Unternehmen des KFZ-Handwerks. Sie schloss mit dem am 24. September 1994 geborenen Kläger am 07. Januar 2014 einen Berufsausbildungsvertrag, demgemäß der Kläger zum KFZ-Mechatroniker ausgebildet werden sollte. Nach Abschnitt A des Vertrages sollte die Ausbildungszeit dreieinhalb Jahre betragen. Darauf angerechnet wurde eine weitere Ausbildungszeit des Klägers bei einem anderen Ausbilder von 29 Monaten, so dass der Vertrag zwischen den Parteien vom 01. Januar 2014 bis zum 31. Januar 2015 laufen sollte. Unter Abschnitt B wurde eine Probezeit von vier Monaten vereinbart. Hierzu heißt es in § 1 Nr. 2 des Vertrages:

"Wird die Ausbildung während der Probezeit um mehr als ein Drittel unterbrochen, so verlängert sich die Probezeit um den Zeitraum der Unterbrechung."

Nach § 7 Nr. 1 des Ausbildungsvertrages sollte während der Probezeit das Ausbildungsverhältnis ohne Einhalten einer Frist und ohne Angabe von Gründen kündbar sein. Die Ausbildungsvergütung sollte im dritten Ausbildungsjahr 787 € brutto im vierten Ausbildungsjahr 842 € brutto pro Monat betragen. Wegen des vollständigen Inhalts des Ausbildungsvertrages wird auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 3 - 5 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger war in den Monaten Januar bis April 2014 an 35 Arbeitstagen arbeitsunfähig, nämlich drei Tage vom 28. bis zum 31. Januar 2014, einen Tag am 07. Februar 2014, vier Tage vom 18. bis zum 21. Februar 2014, vier Tage vom 11. bis zum 14. März 2014, einen Tag am 31. März 2014 sowie 22 Tage vom 01. bis zum 30. April 2014. Letztere Fehlzeit beruhte auf einer Beinverletzung, die sich der Kläger beim Fußballspielen zugezogen hatte. Die Beklagte unterrichtete den bei ihr gebildeten Betriebsrat mit einem am selben Tag zugegangenen Schreiben vom 28. April 2014 über ihre Absicht, das Ausbildungsverhältnis mit dem Kläger aus Anlass von dessen Fehlzeiten "fristlos innerhalb der Probezeit zum 30. April 2014" zu kündigen. Der Betriebsrat erklärte am 05. Mai 2014, gegen die Kündigung bestünden keine Bedenken. Wegen des vollständigen Inhalts der Betriebsratsanhörung wird auf die Anlage A 2 zum Schriftsatz vom 02. Juni 2014 (Bl. 24, 25 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte kündigte das Ausbildungsverhältnis mit einem dem Kläger am selben Tag zugegangenen Schreiben vom 06. Mai 2014 ohne Angabe von Gründen "innerhalb der Probezeit zum 06. Mai 2014". Gegen diese Kündigung erhob der Kläger die vorliegende, am 15. Mai 2014 beim Arbeitsgericht eingereichte und am 21. Mai 2014 zugestellte Kündigungsschutzklage, mit der er auch einen Weiterbeschäftigungsantrag geltend machte. Parallel dazu rief der Kläger den Ausschuss zur Schlichtung von Lehrlingsstreitigkeiten bei der Innung des KFZ-Gewerbes Frankfurt am Main und Main-Taunus-Kreis an. Dieser vertrat mit einem Spruch vom 17. Juni 2014 die Auffassung, die Kündigung sei unwirksam, da die Wirksamkeit der Verlängerungsklausel von § 1 Nr. 2 des Ausbildungsvertrages zweifelhaft und die Kündigung daher außerhalb der Probezeit ausgesprochen worden sei. Wegen des weiteren Inhalts des Spruches wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 25. August 2014 (Bl. 37 der Nebenakte) Bezug genommen. Der der Beklagten am 26. Juni 2014 zugestellte Spruch wurde nicht von beiden Parteien anerkannt. Gegen den Spruch erhob die Beklagte die am 09. Juli 2014 beim Arbeitsgericht eingereichte und am 08. August 2014 zugestellte Widerklage. Der Kläger setzte seine Ausbildung außerhalb des Betriebes der Beklagten erfolgreich fort und bestand Ende Januar 2015 die Abschlussprüfung.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigung verstoße gegen § 22 BBiG. Die Klausel von § 1 Nr. 2 des Ausbildungsvertrages verletze die §§ 20, 25...

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