Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Vorruhestandsregelung. Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 03.08.2009, 16 Sa 2147/08, das vollständig dokumentiert ist. Entgeltdiskriminierung. Benachteiligung wegen des Geschlechts

 

Leitsatz (redaktionell)

Werden die Arbeitnehmerinnen, die vorzeitige Altersrente für Frauen mit Vollendung des 60. Lebensjahrs in Anspruch nehmen durch Betriebsvereinbarung von der Gewährung des betrieblichen Vorruhestandsbezugs bis zur Vollendung des 63. Lebensjahrs ausgeschlossen, ist diese Regelung wegen Geschlechtsdiskriminierung unwirksam.

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 12.11.2008; Aktenzeichen 2 Ca 2982/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.02.2011; Aktenzeichen 9 AZR 749/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 12. November 2008 – 2 Ca 2982/08 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Fortbestand von Ansprüchen auf Vorruhestandsbezüge über die Vollendung des 60. Lebensjahres hinaus bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres.

Die am 09. Juli 1951 geborene Klägerin war für die Beklagte vom 01. Februar 1972 bis zum 30. Juni 2004 als Arbeitnehmerin tätig.

Anlässlich des Zusammenschlusses konzernangehöriger Unternehmen, aus der die Beklagte hervorgegangen ist, wurde unter dem 15. Dezember 1998 zwischen den betroffenen Unternehmen und den zuständigen Mitarbeitervertretungen eine als „befristete Betriebs-/Dienstvereinbarung” bezeichnete Vereinbarung (im Folgenden nur: BV) getroffen. Gemäß Ziffer 3. und 4.1 waren betriebsbedingte Kündigungen aus Anlass der Zusammenführung der Unternehmen ausgeschlossen, sofern den betroffenen Arbeitnehmern nicht der Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem anderen Konzernunternehmen unter Besitzstandswahrung angeboten wurde. Gemäß Ziffer 5.6 wurde „zur Minderung eventuell entstehender sozialer Härten” in der Anlage 1 zur BV eine Vorruhestandsregelung getroffen. Nach Ziffer 8.1 wurde die Laufzeit unter Ausschluss einer Nachwirkung bis zum 31. Dezember 2003 befristet. Die Bestimmungen der Anlage 1 lauten auszugsweise wie folgt:

„Betriebliche Vorruhestandsregelung

Zur Minderung eventuell entstehender sozialer Härten wird nachfolgende betriebliche Vorruhestandsregelung vereinbart.

Die Laufzeit … dieser Regelung (ergibt) sich aus der übergeordneten befristeten Betriebs-/Dienstvereinbarung vom 15. Dezember 1998 und (ist) an diese gekoppelt.

Anspruchsvoraussetzungen

1. Arbeitnehmer mit einer mindestens 15-jährigen Betriebszugehörigkeit haben ab dem 58. Lebensjahr, Arbeitnehmer mit einer mindestens 25-jährigen Betriebszugehörigkeit haben ab dem 55. Lebensjahr Anspruch auf Leistungen nach dieser Regelung, sofern zwischen der Arbeitnehmervertretung und dem Arbeitgeber Einvernehmen über die Beendigung des konkreten Arbeitsverhältnisses zum Zwecke der Inanspruchnahme dieser Vorruhestandsregelung erzielt wird.

4. Die Möglichkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Inanspruchnahme der Regelung nach Ziffer 1. besteht letztmalig im Jahre 2003.

Höhe des betrieblichen Vorruhestandsgeldes

1. Das betriebliche Vorruhestandsgeld beträgt in den ersten 3 Monaten 80%, danach 75% des letzten Bruttomonatsgehalts. …

Erlöschen der Ansprüche

1. Die Leistungen aus dieser Regelung erlöschen mit Beginn des Monats, für den der ausgeschiedene Arbeitnehmer Altsruhegeld, Erwerbsunfähigkeitsrente, Knappschaftsausgleichsleistungen oder ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art beanspruchen kann.

…”

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage zum Beklagtenschriftsatz vom 23. Februar 2009 zur Akte gereichte Kopie der BV nebst Anlage 1 (Bl. 97 – 106, 110, 111 d. A.) Bezug genommen.

In Anlehnung an die vorgenannte Anlage 1 zur BV schlossen die Parteien unter dem 16. Dezember 2003 eine Vorruhestandsvereinbarung (Bl. 10 – 12 d. A.). Danach endete das Arbeitsverhältnis der Parteien einvernehmlich zum 30. Juni 2004. Für die Zeit ab dem 01. Juli 2004 hat die Klägerin Anspruch auf Vorruhestandsbezüge in Höhe von 70% für die ersten drei Monate und ab dem 4. Monat in Höhe von 65 % des letzten Bruttogehalts. Ziffer 4. der Vorruhestandsvereinbarung lautet:

„Der Anspruch auf Zahlungen von Vorruhestandsbezug erlischt mit Beginn des Monats, für den Frau A zum frühestmöglichen Zeitpunkt Altersruhegeld, Rente wegen Erwerbsminderung oder ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art beanspruchen kann. Die früheste Möglichkeit des gesetzlichen Rentenbezugs bezieht sich auf den Zeitpunkt, zu dem frühestens eine Rente, ggf. mit Abschlägen, in Anspruch genommen werden kann.”

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, durch Ziffer 4. des Vorruhestandsvertrages werde sie ohne Rechtsgrund schlechter gestellt als vergleichbare männliche Arbeitnehmer der Beklagten, die im Hinblick auf das höhere Eingangsalter der vorgezogenen gesetzlichen Altersrente bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres Vorruhestandsbezüge erhielten, sofern nicht aus anderen Gründen zu einem frühere...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge