Entscheidungsstichwort (Thema)

Treuwidrige Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob die Kündigung eines langjährigen Arbeitsverhältnisses (hier: 25 Jahre) wegen Schlechtleistung ohne Abmahnung außerhalb des Geltungsbereichs des KSchG gegen § 242 BGB verstößt.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 138

 

Verfahrensgang

ArbG Wetzlar (Urteil vom 23.10.2001; Aktenzeichen 1 Ca 336/01)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.08.2003; Aktenzeichen 2 AZR 333/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wetzlar vom 23. Oktober 2001 – 1 Ca 336/01 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung.

Der 53jährige Kläger, verheiratet und Vater von zwei schulpflichtigen Kindern, war seit 1. Oktober 1976 bei der Beklagten, die ein zahntechnisches Labor betreibt, als Zahntechniker zu einer monatlichen Vergütung von zuletzt DM 3.300.00 brutto beschäftigt. Eingesetzt wurde der Kläger zur Anfertigung von Kronen, Brücken und Modellgussarbeiten. Kunststoff- und Vollkeramikarbeiten führte er nicht aus.

Anfang 2000 wechselten die Gesellschafteranteile der Beklagten. Die bisherige Laborleiterin, die in dieser Funktion seit 1983 bei der Beklagten tätig war, wurde Geschäftsführerin. Zu diesem Zeitpunkt war neben dem Kläger noch die ausgebildete Zahntechnikerin …, die hauptsächlich mit der Erstellung von Prothesen, deren Reparatur und Unterfütterung in Vollkunststoff sowie der Teleskopkronen-Fertigstellung beschäftigt war, in Teilzeit tätig. Ein aktiv mitarbeitender Meister war zu diesem Zeitpunkt bei der Beklagten nicht beschäftigt. Im September 2000 wurde von der Beklagten die Zahntechnikermeisterin … eingestellt. Im November 2000 schaffte die Beklagte eine Fräsmaschine für Teleskopkronen an. Ob und inwieweit der Kläger an dieser Maschine eingearbeitet werden bzw. arbeiten sollte, ist zwischen den Parteien im Streit. Ende Januar/Anfang Februar 2000 kündigte die Zahntechnikerin … das Arbeitsverhältnis, um sich selbständig zu machen. Ende März 2001 verließ sie die Beklagte, ab April 2001 wurde ein neuer Zahntechnikermeister eingestellt.

Mit Schreiben vom 27. März 2001 (Bl. 3 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Kläger zum 31. Oktober 2001.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Ansicht vertreten, die Kündigung sei unbeschadet des Umstandes, dass das Kündigungsschutzgesetz auf sein Arbeitsverhältnis keine Anwendung finde, unwirksam, weil die Beklagte das gebotene Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme nicht gewahrt habe und daher der Zahntechnikerin …, die erst seit 10 Jahre beschäftigt sei, habe kündigen müssen. Die Kündigung sei treuwidrig, da die Beklagte keinerlei Kündigungsgründe gehabt habe. Betriebliche Erfordernisse lägen nicht vor, Verhaltens- bzw. leistungsbezogene Gründe schieden aus. Er sei seit 25 Jahren in seinem Beruf tätig und habe niemals Arbeit schlecht oder mangelhaft ausgeführt. So sei es niemals zu Kundenreklamationen gekommen, an der neu angeschafften Fräsmaschine habe er nicht arbeite sollen und sei auch nicht dazu angehalten worden, die Frästechnik bei der Erstellung von Teleskopkronen zu erlernen. Die Beklagte habe ihn denn auch niemals abgemahnt, unrichtig sei es, dass er erklärt habe, er habe ›keinen Bock‹ mehr zum Arbeiten und begehre lediglich eine Abfindung.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 27. März 2001 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, die Kündigung sei wirksam. Etwa ab 2000 hätten sich die Arbeiten des Klägers ständig verschlechtert und seien immer mangelhafter geworden, so dass sich Kundenreklamationen gehäuft hätten. So seien Kronen und Brücken ohne präzisen Randabschluss gefertigt worden und hätten nachgearbeitet werden müssen. Dieses Verhalten des Klägers habe dazu geführt, dass Anfang 2000 der umsatzstärkste Kunde, der Zahnarzt …, erklärt habe, er werde Arbeiten in Zukunft von einem anderen Labor machen lassen, wenn die Arbeiten, die der Kläger verrichte, weiter so mangelhaft blieben. Sie habe dem Kläger durch die Meisterin … die Gelegenheit eingeräumt, sich fehlende Fertigkeiten und Kenntnisse anzueignen, dem Kläger sei angeboten worden, sich neue Techniken, insbesondere die Anfertigung von Fräsarbeiten für Teleskopkronen anzueignen. Der Kläger habe jedoch seine Mitarbeit, insbesondere bei den Fräsarbeiten, verweigert und seine Haltung damit begründet, er sei zu alt, sich diese Techniken anzueignen. Nachdem die Meisterin drei Monate lang versucht habe, den Kläger zur Mitarbeit anzuhalten, sei er ab Dezember 2000 mehrfach von dieser darauf hingewiesen worden, dass man ihn nicht weiterbeschäftigen könne, wenn er nicht bereit sei, sich fehlende Techniken zuzulegen sowie seine Arbeiten sorgfältiger auszuführen. Der Kläger habe regelmäßig erzählt, dies sei ihm egal, er wolle sowieso nicht mehr arbeiten. Auch habe er erklärt, die Beklagte so...

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