Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebungsvertrag. Zum Schriftformerfordernis bei Unterschrift durch einen Gesamtvertreter (Gesamtprokurist).. Wirksamkeit der Unterschrift bei Gesamtprokura. Schriftformerfordernis eines Aufhebungsvertrags
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Aufhebungsvertrag ist unwirksam, wenn die gesetzliche Schriftform nicht gewahrt ist (§§ 623, 126 Abs. 1, Abs. 2, 125 Satz 1 BGB).
2. a) Zwar wahrt die Unterschrift eines Prokuristen für sich die Schriftform des § 623 BGB; dies allein ist aber nicht ausreichend, wenn der Prokurist nicht zum Ausdruck gebracht hat, gleichzeitig auch für einen weiteren Gesamtprokuristen oder als alleiniger Vertreter zu handeln.
b) Ob der Prokurist im Innenverhältnis bevollmächtigt war, die Arbeitgeberin bei Abschluss des Aufhebungsvertrages allein zu vertreten oder ein etwaiges Handeln als Vertreter ohne Vertretungsmacht von ihr genehmigt wäre, ist für die Einhaltung der Schriftform ohne Bedeutung; entscheidend ist, dass der Prokurist überhaupt nicht als alleiniger Vertreter und einziger Erklärender aufgetreten ist, sondern als Gesamtvertreter, weshalb damit zusätzlich eine nicht vorliegende Unterschrift eines weiteren Gesamtprokuristen erforderlich gewesen wäre.
Normenkette
BGB §§ 125-126, 623
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 05.04.2012; Aktenzeichen 20 Ca 7822/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 05. April 2012, 20 Ca 7822/11, abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien durch den Aufhebungsvertrag vom 20. Juni 2011 nicht zum 31. Dezember 2011 endete.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Area Sales - Manager Band 30/Grade 14 im Bereich GMS (Global Merchant Service) in der Region A weiterzubeschäftigen.
Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/5 und die Beklagte zu 4/5.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auch im Berufungsrechtszug darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendet wurde, hierbei insbesondere darüber, ob der auf den 20. Juni 2011 datierte Aufhebungsvertrag die erforderliche Schriftform wahrt, sowie um Weiterbeschäftigung. Wegen des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 80 bis 82 d.A.) Bezug genommen. Dies erfolgt mit folgender Ergänzung:
Die Klägerin war zunächst bei der B. beschäftigt, mit der auch der Arbeitsvertrag geschlossen wurde. Das Arbeitsverhältnis ging im Jahr 2009 infolge (Teil-) Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Ausweislich des vorgelegten Handelsregisterauszugs (Bl. 133 f d.A.) ist der Mitarbeiter C D, der den Aufhebungsvertrag unterzeichnete, als ständiger Vertreter iSd. § 13e Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 HGB für die deutsche Zweigniederlassung der Beklagten eingetragen, und zwar als vertretungsberechtigt gemeinsam mit einem anderen ständigen Vertreter. Sowohl für D als auch für die Personalleiterin E, deren Unterschrift im Aufhebungsvertrag eingescannt wurde, besteht ausweislich des Handelsregisterauszugs Gesamtprokura, und zwar jeweils gemeinsam mit einem anderen Prokuristen. Sowohl die im Original geleistete Unterschrift Ds als auch die eingescannte Unterschrift der Personalleiterin E weisen den Zusatz "ppa." auf. Die Unterschriften befinden sich auf einer Höhe, über der Unterschrift der Klägerin und über dem Text "C D Vice President Head of Merchant Acquisiton Germany" bzw. "F E Director G H, I, J".
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Klage durch am 05. April 2012 verkündetes Urteil, 20 Ca 7822/11, abgewiesen. Es hat hierbei den allgemeinen Feststellungsantrag als unzulässig und die Klage im Übrigen als unbegründet angesehen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Aufhebungsvertrag wahre die gesetzliche Schriftform. Die unstreitig durch D und die Klägerin erfolgte Unterzeichnung reiche aus. Für die Einhaltung der Schriftform sei erforderlich, dass alle Erklärenden die schriftliche Willenserklärung unterzeichneten. Unterzeichnet für eine Vertragspartei ein Vertreter die Erklärung, müsse das Vertretungsverhältnis in der Urkunde deutlich zum Ausdruck kommen, was durch einen entsprechenden Zusatz bei der Unterschrift erfolgen könne. Indem D den Zusatz ppa. hinzugefügt habe, habe er zum Ausdruck gebracht, in Vertretung der Beklagten zu handeln. Soweit die Klägerin meine, D sei nicht allein zur Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages befugt gewesen, sei dies für die Einhaltung der Formvorschrift unerheblich. Da die rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form bedürfe, habe die Beklagte D auch formlos bevollmächtigen können. Selbst wenn bei der Beklagten ein sog. Vier-Augen-Prinzip bestehe, sei D jedenfalls von der Personall...