Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerentsendung. Betriebsabteilung
Leitsatz (redaktionell)
1. Für das Merkmal einer Betriebsabteilung i.S.v. § 211 Abs. 1 S. 4 SGB III ist nicht der ausschließliche Einsatz bestimmter Arbeitnehmer in dieser Einheit erforderlich. Ausreichend ist die Möglichkeit einer Zuordnung von Arbeitnehmern zu dieser Einheit. Eine derartige Zuordnung ist möglich, wenn diese Arbeitnehmer für bestimmte Zeit von den übrigen Arbeitnehmern räumlich getrennt, bestimmte, in dieser Arbeitseinheit anfallende Tätigkeiten durchführen.
2. Zur Annahme einer Betriebsabteilung i.S.v. § 211 Abs. 1 SGB III ist eine abgrenzbare personelle Einheit erforderlich, die gerade die in ihr anstehenden arbeitstechnisch erforderlichen Maßnahmen plant, d.h. gedanklich vorwegnimmt, und damit den Ablauf im Hinblick auf das erstrebte Ergebnis festlegt und steuert.
Normenkette
AEntG § 1 Abs. 3-4; SGB III § 211; TVG § 1; BRTV § 8 Nr. 15.1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 3. Juli 2003 – 4 Ca 136/01 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 42.336,96 (i.W.: Zweiundvierzigtausenddreihundertsechsunddreißig 96/100 Euro) zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für die von ihr in der Zeit April 1999 bis Februar 2000 und April bis August 2000 in Deutschland beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe [BRTV/Bau]; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe [VTV]) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütung zu sichern. Zu diesem Zweck haben die den Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber monatliche Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttolohnsumme der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte ist eine juristische Person polnischen Rechts mit Sitz in Wroclaw (Polen). In der Jahren 1999 und 2000 führte sie auf der Grundlage von Werkverträgen mit deutschen Unternehmen auf Baustellen in der Bundesrepublik Deutschland arbeitszeitlich überwiegend Rohbauarbeiten in der Form von Beton-, Stahlbeton- und Maurerarbeiten durch. In dieser Zeit unterhielt die Beklagte in Bamberg eine Niederlassung. Unter der Anschrift dieser Niederlassung trat sie gegenüber deutschen Auftraggebern und öffentlichen Stellen auf.
Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte sei zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträge für ihre nach Deutschland entsandten und hier beschäftigten Arbeitnehmer verpflichtet, weil sie einen baugewerblichen Betrieb unterhalten habe. Auch unter Einbeziehung der Tätigkeiten in Polen seien arbeitszeitlich überwiegend Rohbauarbeiten durchgeführt worden. Dies werde einmal durch ein Schreiben der Beklagten selbst vom 12. Februar 1999 (Bl. 118 d.A.) an ihn bestätigt, worin sich die Beklagte selbst als „Bauunternehmung” bezeichnet habe, im übrigen durch eine Auskunft einer Auskunftei, aus der sich ergebe, dass die Beklagte arbeitszeitlich überwiegend Hochbauarbeiten durchführe. Außerdem sei es zulässig, aus der in Deutschland ausgeübten Tätigkeit auf eine gleichartige in Polen zu schließen. Dementsprechend sei die Beklagte zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen verpflichtet. Die Höhe der Beiträge ergebe sich mangels Auskunftserteilung durch die Beklagte aus den Meldungen der Beklagten gegenüber den Landesarbeitsämtern in Verbindung mit den Prüfberichten der Zoll- und Arbeitsverwaltung über die Dauer der Beschäftigung entsandter gewerblicher Arbeitnehmer, der tarifvertraglichen wöchentlichen regelmäßigen Arbeitszeit und dem tariflichen Mindestlohn sowie dem tarifvertraglichen Beitragssatz. Hinsichtlich der genauen Berechnung des Klägers wird auf die Anlage K 2 zum Schriftsatz des Klägers vom 20. Januar 2003 (Bl. 119 d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 42.336,96 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, sie schulde dem Kläger keine Beiträge, weil sie im Klagezeitraum nicht überwiegend bauliche Tätigkeiten ausgeführt habe. Unter Einbeziehung sämtlicher betrieblichen Tätigkeiten, nämlich der in Polen und Deutschland, seien vom Betrieb zu einem Anteil von mehr als der Hälfte der Gesamtarbeitszeit der Handel mit Baustoffen und die Verwaltung von Immobilien, und lediglich zu weniger als der Hälfte der Arbeitszeit Rohbauarbeiten erbracht worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit seinem am 03. Juli 2003 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Hin...