Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung deutschen Rechts. Internationale Zuständigkeit. Kündigung „at will” nach US-amerikanischem Recht
Orientierungssatz
1. Für Streitigkeiten nicht deutscher Unternehmen wirtschaftlichen Charakters ist nach Art. 72 Abs. 1b ZA-Natotruppenstatut die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben
2. Zur Auslegung des Begriffs „Arbeitsschutzrecht” in Art. 72 Abs. 1b ZA-Natotruppenstatut
3. Nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB war hier US-amerikanisches Recht anzuwenden, da die Beklagte eine amerikanische Kreditgenossenschaft mit Sitz in Maryland (USA) ist, die Finanzleistungen (ausschließlich) für Mitglieder der US-Streitkräfte und deren Angehörige erbringt, der Kläger amerikanischer Staatsbürger ohne gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland ist und seine Arbeitsleistung auf einem der US-Armee unterstellten Flugplatz erbrachte und in US-Dollar bezahlt wurde.
4. Zur amerikanischen „at will”-Doktrin
Normenkette
BGBEG Art. 72 Abs. 1b, Art. 30 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 29.09.2009; Aktenzeichen 1 Ca 569/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Wiesbaden vom 29. September 2009 – 1 Ca 569/09 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung und die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens.
Die Beklagte ist eine Kreditgenossenschaft mit Sitz in XXX. Als nicht deutsches Unternehmen wirtschaftlichen Charakters im Sinne von Artikel 72 Zusatzabkommen Natotruppenstatut bietet sie in fünf Filialen in Deutschland ausschließlich für US-Militärangehörige Finanzdienstleistungen an. Die Filialen befinden sich jeweils auf US Militärgelände. Die Beklagte beschäftigt in Deutschland regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer.
Der am XXX geborene, verheiratete, einem Kind unterhaltsverpflichtete Kläger ist amerikanischer Staatsbürger und seit 17. März 2003 bei der Beklagten zunächst in H und ab 2008 in W als Bankkaufmann (Branch Manager II) mit einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 4605,33 US-Dollar beschäftigt.
Im Zusammenhang mit seiner Einstellung übersandte die Beklagte dem Kläger unter dem 14. Februar 2003 ein Schreiben, wegen dessen Inhalt im einzelnen auf Blatt 176 der Akten (Übersetzung Bl. 201 der Akten, insbesondere Rückseite) Bezug genommen wird. Am unteren Rand des Schreibens befindet sich folgender Hinweis: Your employment with A is „at will” which means that either you, or A, may terminate your employment at anytime, with or without cause (Übersetzung: Ihr Arbeitsverhältnis bei der A ist ein jederzeit fristlos kündbares „at will”-Arbeitsverhältnis (nach dem amerikanischen Grundsatz „arbeiten und kündigen nach Belieben”, d.h., dass sowohl Sie als auch die A das Arbeitsverhältnis jederzeit mit oder ohne besonderen Grund beenden können). Mit Schreiben vom 17. März 2003, das auch vom Kläger unterzeichnet wurde, informierte die Beklagte den Kläger über Einschränkungen des Arbeitsverhältnisses; insoweit wird auf Blatt 175 der Akten (Übersetzung Blatt 200 der Akten) verwiesen. Der letzte Satz dieses Schreibens lautet: The employee, as well as A may end the employment relationship at will (Übersetzung Bl. 200 d. A.: Sowohl der Beschäftigte als auch die A können das Arbeitsverhältnis jederzeit fristlos beenden).
Am 26. März 2008 gegen 18:00 Uhr teilten eine Vertreterin der Personalabteilung, Frau G, und seine direkte Vorgesetzte, Frau C, dem Kläger mit, dass er soeben seinen letzten Arbeitstag beendet habe und am darauf folgenden Tag nicht mehr zu erscheinen bräuchte.
Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 16. April 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage gewandt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG. Ferner sei das Schriftformerfordernis des § 623 BGB nicht erfüllt. Die Parteien unterlägen der deutschen Gerichtsbarkeit. Auf das Arbeitsverhältnis sei deutsches Arbeitsrecht anzuwenden.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 26. März 2009 nicht aufgelöst worden ist,
- die Beklagte zu verurteilen, den Kläger auf seinem alten Arbeitsplatz zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Branch Manager II bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, als nicht deutsches Unternehmen wirtschaftlichen Charakters im Sinne des Artikel 72 Zusatzabkommen Natotruppenstatut unterliege sie nicht der deutschen Gerichtsbarkeit. Auf das Arbeitsverhältnis finde US-amerikanisches Recht des Staates XX Anwendung. Die Parteien hätten eine Beschäftigung „at will” vereinbart, so dass die mündlich ausgesprochene Kündigung wirksam sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterlägen nichtdeutsche Unternehmen wirt...