Entscheidungsstichwort (Thema)

Verhaltensbedingte Kündigung. Verstoß gegen Hygiene- und Bekleidungsanweisungen. Erforderlichkeit der Abmahnung

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung ist für die Zukunft dann nicht zu erwarten, wenn der Arbeitnehmer trotz einschlägiger vorangegangener Abmahnung erneut gegen die Hygiene- und Bekleidungsanweisungen verstößt.

 

Normenkette

KSchG § 1; BGB § 314 Abs. 2, § 323 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 14.03.2013; Aktenzeichen 9 Ca 705/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 14. März 2013, 9 Ca 705/12, abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, um Weiterbeschäftigung, Erteilung eines Zwischenzeugnisses und Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte. Wegen des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort zuletzt gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 245 bis 248R d.A.) Bezug genommen. Dies gilt mit der Maßgabe, dass die Beklagte jedenfalls im Berufungsrechtszug bestreitet, der Kläger habe am 27. April 2012 den Bartschutz heruntergezogen, weil er einen Niesanfall erlitten habe.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat die Klage durch am 14. März 2013 verkündetes Urteil insoweit abgewiesen, als der Kläger beantragt hat, die Beklagte zur Entfernung der Abmahnung vom 11. November 2011 aus der Personalakte zu verurteilen, und ihr im Übrigen stattgegeben.

Es hat die Kündigung der Beklagten vom 24. Juni 2012 als sozial ungerechtfertigt gewertet. Zwar liege eine vertragliche Pflichtverletzung vor, denn der Kläger habe am 27. April 2012 gegen die bei der Beklagten geltenden Hygiene- und Bekleidungsvorschriften verstoßen, indem er ohne Handschuhe das Glaslager betreten und den PC bedient sowie nach einem Niesanfall innerhalb der Schutzzone den Bartschutz abgezogen habe. Auch sei der Kläger bereits einmal wirksam abgemahnt worden, nämlich mit Abmahnung vom 11. November 2011 wegen des Vorfalls vom 04. November 2011, bei dem er unter Verstoß gegen die geltenden Hygiene- und Bekleidungsvorschriften den Cleaning Center Bereich ohne Haarnetz, ohne Bartschoner und ohne Schutzbrille betreten habe. Auszugehen sei allerdings nur von einer bisherigen Abmahnung, denn die Abmahnung vom 27. Februar 2012 wegen eines Vorfalls vom 08. Februar 2012 sei unberechtigt, da die Beklagte nicht hinreichend konkret und einer Beweisaufnahme zugänglich dargelegt habe, der Kläger habe am 08. Februar 2012 einen Bartwuchs von länger als zwei Tagen aufgewiesen und daher einen Bartschoner tragen müssen. Wenn auch durch die abgemahnte Pflichtverletzung die Befürchtung gerechtfertigt sein möge, es könne künftig zu weiteren Verstößen des Klägers gegen die Hygiene- und Bekleidungsvorschriften kommen, erscheine in Abwägung der beiderseitigen Interessen die Lösung des Arbeitsverhältnisses derzeit noch nicht als billigenswert und angemessen. Das Arbeitsgericht hat hierbei auch darauf hingewiesen, der Kläger ziehe die Berechtigung der Hygiene- und Bekleidungsvorschriften nicht in Zweifel und habe sie insbesondere am 27. April 2012 bei Betreten der Schutzzone mit Ausnahme des Überziehens der Handschuhe auch beachtet, wobei sein Hinweis auf die vorherige Desinfektion der Finger auch deutlich mache, dass ihm die Bedeutung und Notwendigkeit eines Schutzes der gereinigten Glaswaren und Laborgeräte zur Verhinderung einer Kontamination der hergestellten Diagnostika bewusst sei und er sie anerkenne. Da dem Kläger bisher nicht hinreichend deutlich gewesen sei, dass die Beklagte einschränkungslos und ungeachtet der Besonderheiten möglicher Arbeitssituationen auf die Einhaltung der Hygiene- und Bekleidungsvorschriften bestehe, dies auch zu Recht, erscheine unter Berücksichtigung der Gesamtumstände eine weitere Warnung als angemessen und ausreichend. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 248R bis 254 d.A.).

Gegen dieses ihr am 15. April 2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13. Mai 2013 Berufung eingelegt und diese nach aufgrund am 06. Juni 2013 eingegangenen Antrags erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 12. Juli 2013 am 04. Juli 2013 begründet.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr Vorbringen und wendet sich zunächst gegen die Annahme der angefochtenen Entscheidung, die Abmahnung vom 27. Februar 2012 sei unberechtigt. Sie meint, der von ihr als Zeuge benannte Mitarbeiter A hätte zur Bartlänge des Klägers am 08. Februar 2012 vernommen werden müssen. Diese hätte ergeben, dass die Bartlänge des Klägers einem Bartwuchs von mehr als zwei Tagen entsprochen habe, wobei es auch auf die pflichtgemäße und sachliche Einschätzung des Vorgesetzten ankomme. Selbst wenn man dem nicht folgen wolle,...

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