Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung einer tariflichen Lohnerhöhung. Tariflohnerhöhung. Anrechung
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Zusage einer anrechnungsfreien übertariflichen Zulage und zur Anrechnung der Tariflohnerhöhung nach individualrechtlichen und kollektivrechtlichen Gesichtspunkten.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10; TVG § 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.01.2002; Aktenzeichen 15 Ca 5891/01) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 2002 – 15 Ca 5891/01 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Anrechnung einer tariflichen Lohnerhöhung.
Der Kläger, der Vorsitzender des im Betrieb der Beklagten gebildeten Betriebsrates ist, ist seit dem 01. Januar 1990 auf der Grundlage des schriftlichen Anstellungsvertrages vom Dezember 1989 (Bl. 5 bis 8 d. A.) bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt DM 6.600,00 beschäftigt.
Die Beklagte ist ein Unternehmen des Groß- und Außenhandels. Sie wendet die Tarifverträge des Groß- und Außenhandels/Verlage des Landes Hessen auf die Arbeitsverhältnisse aller bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer an. Die Parteien sind darüber hinaus beide auch tarifgebunden.
Der Kläger war zuletzt als Leiter der so genannten Fischabteilung der Beklagten beschäftigt. Die Parteien haben sich einvernehmlich im Laufe des vorliegenden Verfahrens auf eine Eingruppierung des Klägers in die Gehaltsgruppe VI des Lohn- und Gehaltstarifvertrages des Hessischen Groß- und Außenhandels/Verlage verständigt und die Eingruppierungsklage des Klägers übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Beklagte zahlt dem Kläger weiter das monatliche Effektivgehalt von DM 6.600,00. Die Tariflohnerhöhung seit dem 01. Mai 2000 gibt die Beklagte an den Kläger nicht weiter. Die Beklagte verfährt in gleicher Weise gegenüber allen übrigen bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern. Die Beklagte zahlt auch im Übrigen der Mehrzahl der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer eine Effektivvergütung, die oberhalb des Tarifgehaltes/Tariflohnes liegt. Bezüglich dieser übertariflichen Bezahlung existiert im Betrieb der Beklagten keine mitbestimmte Regelung. Ebenfalls ohne Beteiligung des Betriebsrats hat die Beklagte die Tariflohnerhöhung seit dem 01. Mai 2000 – soweit dies der übertarifliche Vergütungsanteil des Arbeitnehmers hergab – vollständig und gleichmäßig bei allen Arbeitnehmern angerechnet. Die Beklagte hat hierzu allen Arbeitnehmern ein Schreiben aus Dezember 2000 betreffend die Zusammensetzung der Vergütung übersandt. Das Schreiben, welches dem Kläger zuging, lautet wie folgt:
„Sehr geehrte(r)
auf diesem Wege teilen wir Ihnen mit, dass sich aufgrund der Verrechnung der rückwirkend zum Mai diesen Jahres beschlossenen Tariferhöhung von 2,5 % mit Ihren übertariflichen Zulagen Ihr Bruttogehalt folgendermaßen zusammensetzt:
Tarifgehalt |
DM 3.880,00 |
übertarifliche Zulage |
DM 2.720,00 |
Bruttogehalt: |
DM 6.600,00 |
Gehaltsgruppe: G 4
Wir weisen Sie darauf hin, daß es sich um eine vorläufige Eingruppierung handelt. Über eine eventuelle Änderung werden wir Sie umgehend schriftlich informieren, jedoch können wir Ihnen die Eingruppierung in die Gehaltsgruppe G 4 garantieren.
Abschließend möchten wir Ihnen und Ihrer Familie eine beschauliche Adventszeit sowie ein frohes Weihnachtsfest und ein erfolgreiches neues Jahr wünschen.”
Der Kläger wendet sich mit der vorliegenden Klage, soweit im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch rechtshängig, gegen die Anrechnung der Tariflohnerhöhung. Der Kläger meint, die jetzt vorgenommene Eingruppierung in die Gehaltsgruppe des einschlägigen Tarifvertrages könne nicht dazu führen, dass nun plötzlich eine Anrechnung der Erhöhungskomponente erfolgt, die sich aus dem tarifvertraglichen Gehalt ergibt. Der Kläger meint auch, eine Berechtigung der Beklagten, eine Anrechnung durchzuführen, sei nirgendwo vereinbart worden. Der Kläger meint schließlich, die Beklagte habe aus Anlass der vorgenommenen Eingruppierung einen neuen Gehaltsgrundsatz einseitig ohne Beteiligung des Betriebsrates eingeführt, indem sie das bisher als Effektivgehalt vereinbarte Entgelt der Arbeitnehmer nunmehr aufteile in ein Tarifgehalt und eine übertarifliche Zulage. Der Kläger meint, dass die Beklagte damit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG verletze und deshalb die vorgenommene Anrechnung auch individualrechtlich unwirksam sei.
Die Beklagte hält sich nach § 8 des Gehalts- und Lohntarifvertrages des Hessischen Groß- und Außenhandels/Verlage zur Anrechnung berechtigt. Die Tarifnorm lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 8
In-Kraft-Treten und Schlussbestimmungen
…
Bereits gezahlte übertarifliche Zulagen können auf die vereinbarten Gehalts- und Lohnsätze angerechnet werden. Ni...