Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung einer tariflichen Lohnerhöhung. Tariflohnerhöhung. Anrechung
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Zusage einer anrechnungsfreien übertariflichen Zulage und zur Anrechnung der Tariflohnerhöhung nach individualrechtlichen und kollektivrechtlichen Gesichtspunkten.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10; TVG § 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 27.02.2002; Aktenzeichen 7 Ca 2012/01) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27. Februar 2002 – 7 Ca 2012/01 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Anrechnung einer tariflichen Lohnerhöhung.
Der Kläger ist seit dem 11. September 1997 auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 21. Oktober 1997 (Bl. 4 bis 7 d. A.) bei der Beklagten als Lagerarbeiter zu einem monatlichen Bruttolohn von zuletzt 3.400,– DM beschäftigt.
Die Beklagte ist ein Unternehmen des Groß- und Außenhandels. Die wendet die Tarifverträge des Groß- und Außenhandels/Verlage des Landes Hessen auf die Arbeitsverhältnisse aller bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer an. Im Betrieb der Beklagten ist ein Betriebsrat gebildet.
Die Beklagte zahlt dem Kläger das monatliche Effektivgehalt von 3.400,– DM seit der Tariflohnerhöhung vom 01. Mai 2000 ohne Weitergabe der 2,5 %igen Erhöhung des Tariflohnes auf 3.308,– DM. Die Beklagte verfährt in gleicher Weise gegenüber allen bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern. Die Beklagte bezahlt auch im Übrigen der Mehrzahl der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer ein Effektiventgelt, dass oberhalb des Tarifentgeltes liegt. Bezüglich dieser übertariflichen Bezahlung existiert im Betrieb der Beklagten keine mitbestimmte Regelung. Ebenfalls ohne Beteiligung des Betriebsrates hat die Beklagte die Tariflohnerhöhung seit dem 01. Mai 2000 – soweit dies der übertarifliche Vergütungsanteil des Arbeitnehmers hergab – vollständig und gleichmäßig allen Arbeitnehmern angerechnet. Die Beklagte hat hierzu allen Arbeitnehmern ein Schreiben aus Dezember 2000 mit inhaltsgleichem Wortlaut übersandt. Das Schreiben, welches dem Kläger zuging, lautet wie folgt:
Sehr geehrter
auf diesem Wege teilen wir Ihnen mit, dass sich aufgrund der Verrechnung der rückwirkend zum Mai diesen Jahres beschlossenen Tariferhöhung von 2,5 % mit Ihren übertariflichen Zulagen ihr Bruttogehalt folgendermaßen zusammensetzt
Tarifgehalt |
3.308,00 DM |
übertarifliche Zulage |
92.00 DM |
Bruttogehalt |
3.400,00 DM |
Gehaltsgruppe |
L 4 |
Abschließen möchten wir Ihnen und Ihrer Familie eine beschauliche Adventszeit sowie ein frohes Weihnachtsfest und ein erfolgreiches neues Jahr wünschen.
Im Arbeitsvertrag des Klägers, der ein Formularvertrag ist und von der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin so mit der Mehrzahl der beschäftigten Arbeitnehmer abgeschlossen wurde, ist das Arbeitsentgelt in § 4 und eine Zulagenregelung in § 5 enthalten. § 4 „Arbeitsentgelt” lautet dabei wie folgt:
§ 4 Arbeitsentgelt
1. |
Entsprechend der in § 1 Abs. 1 genannten Tätigkeit wird der Arbeitnehmer in Beschäftigungsgruppe _____ des jeweils gültigen Manteltarifvertrages eingestuft. |
2. |
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innerh. der nach der Probezeit |
nach der Probezeit |
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a) |
Das tarifliche Gehalt/der Stundenlohn beträgt brutto |
2.800,– |
2.800,– DM |
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b) |
die tarifliche Zulage beträgt |
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c) |
die frw. jederzeit widerrufliche Zulage beträgt |
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Endlohn |
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2.800,– |
2.800,– DM |
3. |
Außerdem wird vereinbart: |
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AG-Zuschuß zu VWL bei Vertragsvorlage Monatsgehalt, jeweils 50 % als Urlaubsgeld und 50 % als Weihnachtsgeld, zahlbar in der ersten bzw. zweiten Jahreshälfte (anteilig). |
Der Kläger wendet sich mit der vorliegenden Klage gegen die Anrechnung der Tariflohnerhöhung. Der Kläger meint, aus der Streichung des § 5 im Arbeitsvertrag der Parteien folge der Parteiwille, bei Zahlung übertariflicher Zulagen deren Anrechenbarkeit auf Tariflohnerhöhung auszuschließen. Der Kläger meint weiter, dass auch aus der Nichtbeachtung des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG individualrechtlich die Unwirksamkeit der Anrechnung folge. Die Beklagte hält sich nach § 8 des Gehalts- und Lohntarifvertrages des Hessischen Groß- und Außenhandels/Verlage zur Anrechnung berechtigt. Die Tarifvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
§ 8 Inkrafttreten und Schlussbestimmungen
…
Bereits gezahlte übertarifliche Zulagen können auf die vereinbarten Gehalts- und Lohnsätze angerechnet werde. Nicht anrechnungsfähig sind Leistungszulagen.
Die Beklagte meint weiter, die Parteien hätten mit der Streichung des § 5 des Arbeitsvertrages nicht vereinbart, dass auf die im Tarifvertrag vorgesehene Verrechnungsmöglichkeit verzichtet werde. Die Vertragsparteien seien vielmehr davon ausgegangen, dass ein Tarifentgelt nicht Basis des Arbeitsvertrages ist, deshalb hätten sie auch § 5 des Formulararbeitsvertrages gestrichen. Die Beklagte meint weiter, dass auch keine die individualrechtliche Unwirksamkeit der Anrechnung begründende Verletzung von Mitbestimmungsrechten des im ...