Entscheidungsstichwort (Thema)
Streit über Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes. Allgemeinverbindlichkeitserklärung des VTV. Verschweißen von bereits verlegten Schienen
Leitsatz (redaktionell)
Ein Betrieb unterfällt dann dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV, wenn in dem jeweils betroffenen Kalenderjahr arbeitszeitlich überwiegend entweder die in § 1 Abs. 2 Abschn. IV oder V genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt werden oder aber Leistungen im Sinne der Bestimmungen der Abschnitte e I - III.
Normenkette
TVG § 5 Abs. 1; VTV § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 18
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 16.01.2013; Aktenzeichen 7 Ca 347/13) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 16. Januar 2013 - 7 Ca 347/12 - wird zumindest soweit zurückgewiesen, als die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 5.671,00 EUR (in Worten: Fünftausendsechshunderteinundsiebzig und 0/100 Euro) (Mindestbeiträge Dezember 2006 bis einschließlich September 2007) zu zahlen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schluss-Urteil vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten, ob die Beklagte in den Jahren 2006 bis 2011 den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes unterworden war, die Tarifverträge jeweils wirksam für allgemeinverbindlich erklärt wurden und die Beklagte daher zur Zahlung von Beiträgen (Zeitspanne Dezember 2006 bis Dezember 2011) für die von ihr beschäftigten Arbeitnehmer verpflichtet war.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe - BRTV -, Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe - VTV -) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütung zu sichern. Zu diesem Zweck haben die den Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber monatliche Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttolohnsumme der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer und Pauschalbeträge für Angestellte an den Kläger zu zahlen. Seit 01. Januar 2010 ist der Kläger nach § 3 Abs. 3 VTV die zuständige Einzugsstelle für die eigenen Beiträge einschließlich der Nebenforderungen und diejenigen der ZVK-Bau.
Die Beklagte hat ihren Sitz in A/Landkreis B und führt nach ihren Angaben ausschließlich Schweißarbeiten aus. Sie führt die Firma "[Name] Schienenschweißung GmbH". Sie hat ihre Tätigkeit vorprozessual als Schlosser- und Schweißarbeiten bezeichnet. Sie verschweiße bereits verlegte Schienen im SK-Verfahren oder im E-Verfahren (vgl. Schreiben der Beklagten vom 07. Februar 2011, Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 05. Dezember 2012, Bl. 104 ff. d.A.). Sie gehört seit ihrer Gründung der Berufsgenossenschaft Maschinenbau und Metall an.
Auf der Grundlage der in den Jahren 2006 bis 2011 geltenden und für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) hat der Kläger gegen die Beklagte bei dem Arbeitsgericht Wiesbaden Mahnbescheide beantragt, mit denen er Mindestbeiträge wegen der Beschäftigung von einem gewerblichen Arbeitnehmer forderte, und welche nach Widerspruch der Beklagten in das streitige Verfahren übergeleitet wurden. Das Arbeitsgericht hat diese Verfahren
- 7 Ba 6357/11 - 7 Ca 347/12, Eingang des Mahnbescheids im Dezember 2011, Zeitspanne Dezember 2006 bis Juni 2011, 31.858,00 €,
- 7 Ba 707/12 - 7 Ca 671/12, Eingang des Mahnbescheids im April 2012, Zeitspanne Juli 2011 bis Oktober 2011, 2.336,00 € und
- 7 Ba 1404/12 - 7 Ca 1482/12, Eingang des Mahnbescheids im August 2012, Zeitspanne November 2011 bis Dezember 2011, 1.168,00 €
zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der Betrieb der Beklagten im Klagezeitraum dem Geltungsbereich des VTV in seinen jeweiligen Fassungen unterfiel. Die Beklagte führe nach ihren eigenen Angaben zu mehr als 50% Gesamtarbeitszeit ihrer Arbeitnehmer Teiltätigkeiten des Gleisbaus aus. Schienen bildeten einen Teil der Gleise. Wenn bereits verlegte Schienen verschweißt würden, handele sich um Gleisbauarbeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 18 VTV.
Der Kläger hat weiter die Ansicht vertreten, dass die für den Klagezeitraum geltenden Fassungen des VTV jeweils wirksam für allgemeinverbindlich erklärt worden seien. Der Vortrag der Beklagten gebe keinen Anlass zur Überprüfung der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen (AVE) von Amts wegen. Es fehle bereits an einem Angriff gegen eine konkrete AVE. Die Zahlen der Handwerkskammern, der Bundesagentur für Arbeit oder der Berufsgenossenschaft seien zur Überprüfung des mittelbaren Organisationsgrads ungeeignet, da diese Stellen nicht prüften, ob die in ihre Zahlenwerte einbezogenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter den Geltungsbereich des VTV fielen oder nicht.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 35.362,00 € zu zahlen.
Die Beklagte ...