Leitsatz (amtlich)
Abgrenzung einer betrieblichen Übung von einer Gesamtzusage (Revision zugelassen)
Verfahrensgang
ArbG Kassel (Urteil vom 18.03.1998; Aktenzeichen 8 Ca 345/97) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 18. März 1998 (Az.: 8 Ca 345/97) abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 2.834,00 (i.W.:
Zweitausendachthundertvierunddreißig Deutsche Mark) brutto nebst 4 % Zinsen seit 1. September 1996 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf ein übertarifliches Urlaubsgeld.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1964 als Lagerarbeiter zu einen Bruttomonatslohn von zuletzt DM 3.600,00 tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der tarifgebundenen Parteien ist der Manteltarifvertrag für die Getränkeindustrie – außer Brauereien – Hessen anzuwenden.
Am 09. Mai 1972 teilte die Beklagte den Beschäftigten mit:
Betr.: Urlaubsgeld
Wie Ihnen bekannt ist, zahlt das Unternehmen schon seit einigen Jahren freiwillig ein zusätzliches Urlaubsgeld, das weit höher liegt als das den Tarifverträgen unserer Branche vereinbarte.
Es ist uns nun eine besondere Freude, Ihnen mitteilen zu können, dass die Geschäftsleitung sich entschlossen hat, noch einen wesentlichen Schritt weiter nach vom zu tun. In Verfolgung dieses Planes gilt ab sofort folgende Regelung:
Alle Mitarbeiter, die am 01. Juni eines Jahres 12 Monate bei uns tätig waren und sich bis zu diesem Termin in ungekündigter Stellung in unserem Unternehmen befinden, erhalten 100% ihres monatlichen Nettoeinkommens, und zwar nach dem Stand vom 31. Mai. Es ist demnach das Normaleinkommen des Monats Mai einschließlich Prämien bzw. Provisionen – also ohne Überstunden – zugrunde zu legen, wobei der Krankheitsausfall mitvergütet wird. Die Auszahlung erfolgt zusammen mit dem Mai-Gehalt. Bereits im Laufe dieses Jahres ausgezahlte Urlaubsgelder werden auf die Urlaubsgeldzahlung im Mai 1972 angerechnet.
Diejenigen Mitarbeiter, die in der Zeit vom 01. Juni eines Jahres bis 31. Mai des Folgejahres in unser Unternehmen eintreten oder die sich zum Stichtag 01. Juni nicht in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden, erhalten wie bisher für die Zeit ihres Urlaubsanspruchs ein tägliches Urlaubsgeld von DM 15,00.
Wir sind sicher, dass diese Regelung von Ihnen freudig begrüßt wird.
Dementsprechend zahlte die Beklagte ihren Mitarbeitern in den Folgejahren ein volles Monatseinkommen als Urlaubsgeld. Im Mai 1983 wandte sie sich per Aushang am Schwarzen Brett wie folgt an die Mitarbeiter:
Betr.: Urlaubsgeld für das Jahr 1983
…
Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass auch für das laufende Geschäftsjahr 1983 eine zusätzliche Urlaubsgratifikation zur Auszahlung kommt.
…
Soweit gewährtes Urlaubsgeld die tarifliche Regelung übersteigt, stellt das eine freiwillige soziale Leistung der Firma dar, aus der für die Zukunft keine Rechtsansprüche hergeleitet werden können.
…
Entsprechende Hinweise erfolgten auch in den Folgejahren, in denen die Beklagte, jedoch zunächst unverändert, ein volles Monatseinkommen als Urlaubsgeld zahlte.
Die Beklagte teilte den Arbeitnehmern mit Schreiben vom 15.04.1996 mit, dass
„wegen weitreichender wirtschaftlicher Investitionen des Unternehmens die dazu dienen wettbewerbsfähig zu bleiben und weitmöglichst Arbeitsplätze zu sichern, wird im Geschäftsjahr 1996 ein außertarifliches Urlaubsgeld nicht gezahlt werden”…
Mit der Klage verlangt der Kläger Zahlung der Differenz zwischen tariflichem Urlaubsgeld und einem vollen Monatsgehalt.
Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe von ihrer Zahlungspflicht bezüglich dieses Teils des Urlaubsgeldes nur durch eine wirksame Änderungskündigung frei werden können.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 2.834,00 brutto nebst 4% Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit 01.09.1996 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Freiwilligkeit der übertariflichen Urlaubsgeldleistung habe sich bereits aus der Mitteilung vom 09.05.1972 ergeben. Darüber hinaus habe sich diese Mitteilung erkennbar nur auf das Kalenderjahr 1972 bezogen. Außerdem sei eine etwa begründete betriebliche Übung durch die jährlich wiederholte Mitteilung bezüglich der Freiwilligkeit des übertariflichen Urlaubsgeldes seit 1983 wirksam wieder eingeschränkt worden. Daher habe sie im Kalenderjahr 1997 auch von diesem Freiwilligkeitsvorbehalt Gebrauch machen dürfen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Beklagte zur Zahlung verurteilt Auf die Revision der Beklagten hat das Bundesarbeitsgericht das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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