Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Übung. Einschränkung einer betrieblichen Übung durch unwidersprochen gebliebenes einseitiges Arbeitgeberverhalten
Leitsatz (amtlich)
Ansprüche aus einer einmal begründeten betrieblichen Ubung werden durch einen vom Arbeitgeber später wiederholt erklärten Freiwilligkeitsvorbehalt nicht eingeschränkt, auch wenn der Arbeitnehmer die so erbrachte Leistung widerspruchslos hinnimmt (Abweichung von BAG 26.03.97 – 10 AZR 612/96 – DB 1997,1672 f)
Normenkette
BGB §§ 151, 242
Verfahrensgang
ArbG Kassel (Urteil vom 18.03.1998; Aktenzeichen 8 Ca 345/97) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 18.03.1998 – Az. 8 Ca 345/97 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.834,– DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 1.09.96 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes.
Er ist seit dem 26.05.1964 bei der Beklagten als Lagerarbeiter zu einem Bruttomonatslohn von zuletzt DM 3.600,00 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Tarifbindung der jeweils gültige Manteltarifvertrag für die Erfrischungsgetränkeindustrie in Hessen Anwendung. Nachdem die Beklagte schon zuvor ein über die tariflichen Ansprüche hinausgehendes Urlaubsgeld gezahlt hatte, teilte sie allen ihren Mitarbeitern am 09.05.1972 mit, daß sie „noch einen wesentlichen Schritt weiter nach vom” tue und ab sofort 100% eines monatlichen Normaleinkommens als Urlaubsgeld zahlen werde. Wegen des vollständigen Inhalts dieser schriftlichen Mitteilung wird ergänzend auf Bl. 14 d.A. Bezug genommen. Dementsprechend verfuhr die Beklagte in den nachfolgenden Jahren. Am 19.03.1983 veröffentlichte die Beklagte per Aushang am schwarzen Brett eine Mitteilung betreffend das „Urlaubsgeld für das Jahr 1983”. In ihr teilte die Beklagte u. a. mit, daß das Urlaubsgeld eine „freiwillige soziale Leistung der Firma” sei, soweit es die tariflichen Ansprüche übersteige. Wegen des vollständigen Inhalts dieser Mitteilung wird ergänzend auf Bl. 22 d.A. Bezug genommen. Auch von diesem Zeitpunkt ab erhielten alle Mitarbeiter der Beklagten weiter ein volles Monatsgehalt als Urlaubsgeld. Jeweils im Mai der folgenden Jahre wies die Beklagte erneut auf die Freiwilligkeit ihrer Leistung hin (Mitteilungen Bl. 27 – 38 d.A.). Mit einem an alle Mitarbeiter gerichteten Schreiben vom 16.05.1997 teilte die Beklagte mit, … wegen weitreichender wirtschaftlicher Investitionen des Unternehmens, die dazu dienen, wettbewerbsfähig zu bleiben und weitgehend Arbeitsplätze zu sichern, werde „im Geschäftsjahr 1997 ein außertarifliches Urlaubsgeld nicht gezahlt werden”. Der volle Wortlaut des Schreibens ist Bl. 24 d.A. zu entnehmen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß ihm auch für das Urlaubsjahr 1997 nicht nur der unstreitig gezahlte Betrag von DM 750,00 als tarifliches Urlaubsgeld, sondern kraft betrieblicher Übung auch die darüber hinausgehende Differenz bis zu einem vollen Monatsgehalt an übertariflichem Urlaubsgeld zustehe. Er hat gemeint, daß die Beklagte von ihrer Zahlungsverpflichtung bezüglich dieses Teils des Urlaubsgeldes nur durch eine wirksame Änderungskündigung hätte freiwerden können.
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 2.834,00 brutto nebst 4% Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 01.09.1996 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, daß sich die Freiwilligkeit ihrer übertariflichen Urlaubsgeldleistung bereits aus der Mitteilung vom 09.05.1972 (Bl. 14 d.A.) ergeben habe. Darüber hinaus habe sich diese Mitteilung erkennbar nur auf das Kalenderjahr 1972 bezogen. Schließlich hat die Beklagte die Auffassung vertreten, daß sie eine etwa einmal begründete betriebliche Übung durch die jährlich wiederholte Mitteilung bezüglich der Freiwilligkeit des übertariflichen Urlaubsgeldes seit 1983 wirksam wieder eingeschränkt habe. Folglich habe sie im Kalenderjahr 1997 auch von diesem Freiwilligkeitsvorbehalt Gebrauch machen dürfen.
Mit am 18.03.1998 verkündetem Urteil hat das Arbeitsgericht Kassel – 8 Ca 345/97 – die Klage abgewiesen und ist insbesondere unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26.03.1997 – 10 AZR 612/96 – (DB 1997. S. 1672 f.) der Auffassung der Beklagten gefolgt. Wegen des vollständigen Inhalts des Urteils wird ergänzend auf Bl. 46 – 55 d.A. Bezug genommen.
Gegen das ihm am 15.04.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.05.1998 Berufung eingelegt und dieses Rechtsmittel am 29.05.1998 begründet. Er meint, aus dem Wortlaut der Mitteilung der Beklagten vom 09.05.1972 (Bl. 14 d.A.) ergebe sich, daß sich die Beklagte bezüglich der fraglichen Leistung habe rechtlich binden wollen. Es liege eine Gesamtzusage vor, auf die das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26.03.1997 nicht anwendbar sei. Im übrigen leuchte dessen „Spiegelbil...