Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiträge für die Berufsausbildung und die Zusatzversorgung im Rahmen des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe. Grenzziehung zwischen industrieller und handwerklicher Herstellung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Zuordnung zu handwerklicher oder industrieller Herstellung hat im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände zu erfolgen.
2. Der betriebliche Geltungsbereich des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe hängt davon ab, ob in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Für die Beurteilung der Frage, ob in einem Betrieb überwiegend bauliche Leistungen erbracht werden, ist auf die überwiegende Arbeitszeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer in einem Kalenderjahr abzustellen.
3. § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2 des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe erfasst grundsätzlich Eisenschutzarbeiten aller Art.
Normenkette
VTV § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 04.10.2023; Aktenzeichen 11 Ca 561/22 SK) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 04. Oktober 2023 - 11 Ca 561/22 SK - abgeändert.
Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner 60.378,00 EUR (in Worten: Sechzigtausenddreihundertachtundsiebzig und 0/100 Euro) zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine Verpflichtung der Beklagten zu 1. zur Zahlung von Beiträgen zu dem Sozialkassenverfahren im Baugewerbe.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) nimmt er die Beklagten nach Verbindung von ursprünglich drei getrennten Rechtsstreitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung auf Zahlung von Beiträgen in Höhe von 63.902 Euro in Anspruch. Dabei handelt es sich um Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte in dem Zeitraum Mai 2019 bis Mai 2022. Der Kläger berechnete seine Beitragsforderung für die gewerblichen Arbeitnehmer auf der Grundlage statistischer Durchschnittslöhne und legte dabei zu Grunde, dass pro Monat mindestens zwei gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt waren; für die Angestellte machte er Festbeiträge für zwei Angestellte pro Monat geltend.
Bis Ende April 2019 ist der Betrieb unter der Einzelfirma A geführt worden. Zum 1. Mai 2019 ist der Betrieb im Gewerberegister abgemeldet worden. Sodann ist die Beklagte zu 1. in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG gegründet worden, die den Betrieb fortführte. Die Beklagte zu 2. ist die persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1. Bezüglich der Zeiträume Dezember 2017 bis April 2019 war ein paralleles Verfahren vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht, welches das Einzelunternehmen betraf, anhängig. Mit Urteil vom 5. Juli 2024 - 10 Sa 261/23 SK - ist die Anwendbarkeit des betrieblichen Geltungsbereichs bejaht und der Klage weitgehend stattgegeben worden.
In dem Betrieb der Beklagten zu 1. wurden ganz überwiegend Eisenschutzarbeiten erbracht. Die Bauteile bzw. Werkstücke wurden auf das Firmengelände verbracht und dort an sog. Beschichtungsplätzen und in Strahlkabinen bearbeitet.
Das Betriebsgrundstück der Beklagten zu 1. hat eine Größe von 1,2 ha und verfügt über Hallen von 5.000 m2. In diesen Hallen befinden sich mehrere Beschichtungsplätze, unter anderem eine Strahlkabine 17,5 m lang 7 m breit und 5 m hoch. Darüber hinaus eine weitere Strahlkabine 12 m lang, 4,5 m breit und 4,5 m hoch sowie eine dritte Strahlkabine 17,5 m lang 7 m breit und 5 m hoch. Der Betrieb der Beklagten zu 1. verfügt über einen 40 t Sattelauflieger, einen 10 t Stapler sowie einen Seitenstapler und 5 weitere Stapler, die jeweils 5 t, 3 t bzw. 2,5 t heben können.
Im Betrieb der Beklagte zu 1. wurden Lüfter, Metallträger für Brücken und Hallen, Gittermasttürme, Geländer, Einzelteile für Schiffe, Hydraulikteile, Maschinenbauteile usw. behandelt. Die Metallteile sind - je nach Größe - mit Sattelaufliegern und Staplern auf das Gelände transportiert worden. Nach Bearbeitung wurden diese Gegenstände von der Beklagten zu 1. nicht beim Kunden wiederaufgebaut bzw. montiert.
Diese Teile waren regelmäßig wiederkehrend in hohen Stückzahlen gleichförmig zu bearbeiten. Dabei wurden die Gegenstände im Betrieb der Beklagten zu 1. in den Strahlkabinen gestrahlt und anschließend mit Spritzpistolen im Airless-Verfahren beschichtet. Die Arbeiten waren so aufgeteilt, dass die Arbeitnehmer nur Teilaufgaben wahrnehmen, d.h. entweder strahlten oder beschichteten.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass der Betrieb verpflichtet sei, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ih...