Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung von Beiträgen zu dem Sozialkassenverfahren im Baugewerbe
Leitsatz (redaktionell)
1. Die handwerkliche Fertigung zeichnet sich gegenüber der industriellen dadurch aus, dass die Produktion von dem Können sowie den Fertigkeiten einer nicht unerheblichen Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer und nicht von dem Einsatz der solche Arbeitnehmer ersetzenden Maschinen abhängt.
2. Für die Beurteilung der Frage, ob in einem Betrieb überwiegend bauliche Leistungen erbracht werden, ist auf die überwiegende Arbeitszeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer in einem Kalenderjahr abzustellen.
3. Betriebe, die überwiegend Eisenschutzarbeiten erbringen, fallen unter § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe.
Normenkette
VTV § 1 Abs. 2, § 21 Abs. 4; BGB § 199
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 18.01.2023; Aktenzeichen 11 Ca 393/22 SK) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 18. Januar 2023 - 11 Ca 393/22 SK - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.499,00 EUR (in Worten: Achttausendvierhundertneunundneunzig und 0/100 Euro) zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 70 % und der Beklagte 30 % zu tragen.
Die Revision wird für den Beklagten zugelassen, für den Kläger wird sie nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zu dem Sozialkassenverfahren im Baugewerbe.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) nimmt er den Beklagten nach Verbindung von ursprünglich zwei getrennten Rechtsstreitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung auf Zahlung von Beiträgen in Höhe von 28.359 Euro in Anspruch. Dabei handelt es sich um Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte in dem Zeitraum Dezember 2017 bis April 2019. Der Kläger berechnete seine Beitragsforderung für die gewerblichen Arbeitnehmer auf der Grundlage statistischer Durchschnittslöhne und legte dabei zu Grunde, dass pro Monat mindestens zwei gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt waren; für die Angestellte machte er Festbeiträge für zwei Angestellte pro Monat geltend.
Der Kläger hat seine Beitragsansprüche im Mahnverfahren vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden anhängig gemacht. Die Mahnanträge datieren vom 29. Juni 2022 und sind dem Beklagten jeweils am 4. August 2022 zugestellt worden.
Im Gewerberegister ist der Betrieb mit den folgenden Tätigkeiten eingetragen: Durchführung von Sandstrahlarbeiten, Industrieschweißen, Industrielackierung, Pulverbeschichten (Bl. 88 der Akte). Die Handwerkskammer Flensburg hat mit Schreiben vom 16. Mai 2014 sowie vom 23 Januar 2015 jeweils mitgeteilt, dass sie nach einem Betriebsbesuch zu dem Schluss gekommen sein, dass eine Mitgliedschaft zu der Handwerkskammer nicht bestünde (Bl. 90 f. der Akte).
Zum 1. Mai 2019 ist der Betrieb des Beklagten im Gewerberegister abgemeldet worden. Daraufhin ist das Beitragskonto bei dem Kläger geschlossen worden. Zum 23. Januar 2020 ist die A gegründet worden.
In dem Betrieb des Beklagten wurden ganz überwiegend Eisenschutzarbeiten erbracht. Die Bauteile bzw. Werkstücke wurden auf das Firmengelände verbracht und dort an sog. Beschichtungsplätzen und in Strahlkabinen bearbeitet.
Das Betriebsgrundstück des Beklagten hat eine Größe von 1,2 ha, und verfügt über Hallen von 5.000 m2. In diesen Hallen befinden sich mehrere Beschichtungsplätze, unter anderem eine Strahlkabine 17,5 m lang 7 m breit und 5 m hoch. Darüber hinaus eine weitere Strahlkabine 12 m lang, 4,5 m breit und 4,5 m hoch sowie eine dritte Strahlkabine 17,5 m lang 7 m breit und 5 m hoch. Der Betrieb des Beklagten verfügt über einen 40 t Sattelauflieger, einen 10 t Stapler sowie einen Seitenstapler und 5 weitere Stapler, die jeweils 5 t 3 t bzw. 2,5 t heben können.
Der Beklagte bearbeitete u.a. Bauteile für die Schifffahrt (Fender). Darüber hinaus wurden Ventilatoren und Schalldämpfer, Rohre, Belüftungsanlagen, Geländer, Hydraulikteile, Turbinenteile für Windkrafträder und Pumpen für Stauseen und diverse Maschinenbauteile behandelt. Nach Bearbeitung wurden diese Gegenstände von dem Beklagten nicht beim Kunden wiederaufgebaut bzw. montiert.
Diese Teile waren regelmäßig wiederkehrend in hohen Stückzahlen gleichförmig zu bearbeiten. Dabei wurden die Gegenstände im Betrieb des Beklagten in den Strahlkabinen gestrahlt und anschließend mit Spritzpistolen im Airless-Verfahren beschichtet. Die Arbeiten waren so aufgeteilt, dass die Arbeitnehmer nur Teilaufgaben wahrnehmen, d.h. entweder strahlten oder beschichteten.
Der Beklagte wurde für Vorzeiträume zunächst von der UK-Maler in Anspruch genommen. Mit Urteil des Arbeitsg...