Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltungsbereich der Bautarifverträge

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein von den Tarifvertragsparteien nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV/Bau vom betrieblichen Geltungsbereich diese Tarifvertrages ausgenommener Betrieb eines der dort genannten Handwerkszweige (z.B. Glaserhandwerk) liegt nur dann vor, wenn von den Arbeitnehmern des Betriebes arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die nach Berufsrecht und Berufskunde diesem Handwerkszweig zugehören, wenn darüberhinaus diese Tätigkeiten handwerksmäßig (also nicht industriell) erbracht werden und wenn es sich um wesentliche (Teil-)tätigkeiten des Handwerks handelt.

2. Von wesentlichen (Teil-)tätigkeiten eines Handwerks kann jedenfalls dann nicht gesprochen werden, wenn es sich um Tätigkeiten handelt, zu denen auch in staatlich anerkannten nichthandwerklichen Berufen ausgebildet wird.

3. Die Durchführung von Verfugungsarbeiten aller Art an Fenstern (Abdichten der Zwischenräume zwischen Mauerwerk und Fensterrahmen bzw. zwischen Fensterrahmen (-flügel) und Fensterglas) ist keine wesentliche (Teil-)tätigkeit des Glaserhandwerks. Betriebe, die derartige Arbeiten arbeitszeitlich überwiegend durchführen, sind daher nicht vom Geltungsbereich des VTV/Bau als „Betriebe des Glaserhandwerks” ausgenommen. (Abgrenzung zu BAG AP Nr. 139 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG v. 28.07.1993 – 10 AZR 556/92 u. v. 13.10.1993 – 10 AZR 42/91).

 

Normenkette

VTV/Bau v. 12.11.1986 § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 09.03.1994; Aktenzeichen 3 Ca 1410/93)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.08.1995; Aktenzeichen 10 AZR 105/95)

 

Tenor

Auf die Berufungen des Klägers werden dieUrteile desArbeitsgerichts Wiesbaden vom09. März 1994 – 3 Ca 829/93 und 3 Ca 1410/93 – abgeändert:

I Die Versäumnisurteile des Arbeitsgerichts

Wiesbaden vom 10. November 1993 – 3 Ca 829/93 – und vom 31. Januar 1994 – 3 Ca 3352/93 – werden aufrechterhalten.

II Die Beklagte wird weiter verurteilt,

1. dem Kläger auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,

1.1 wieviel Arbeitnehmer, die nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches, Sechstes Buch (SGB VI) über die gesetzliche Rentenversicherung eine arbeiterrentenversicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten

Februar bis April 1993 und September, Oktober 1993

in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden, sowie in welcher Höhe die Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkassen der Bauwirtschaft angefallen sind;

1.2 wieviel Angestellte insgesamt mit Ausnahme derjenigen, die eine geringfügige Beschäftigung i.S. von § 8 SGB IV ausüben, in den Monaten

Februar bis Oktober 1993

in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden, welche Bruttogehaltssumme und in welcher Höhe Vorruhestands- sowie Zusatzversorgungsbeiträge für die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG in den genannten Monaten angefallen sind;

2. für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an den Kläger folgende Entschädigung zu zahlen:

zu II 1.1

23.200,– DM (i.W.: dreiundzwanzigtausendzweihundert Deutsche Mark)

zu II 1.2

752,94 DM (i.W.: siebenhundertzweiundfünfzig 94/100 Deutsche Mark).

III Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 4.283,43 DM (i.W.: viertausendzweihundertdreiundachtzig 43/100 Deutsche Mark) zu zahlen.

IV Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in zwei erstinstanzlich selbständigen, vom Berufungsgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtsstreiten um Auskunftsverpflichtungen der Beklagten für den Zeitraum Februar 1992 bis Oktober 1993 und um Zahlungsansprüche des Klägers für Januar 1992 nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes.

Der Kläger ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Die Beklagte, die im Handelsregister mit dem Unternehmensgegenstand „Fugenabdichtung und wasserdichte Oberflächenbehandlung”, in das Verzeichnis handwerksähnlicher Berufe mit dem „Fugergewerbe” eingetragen, Mitglied der Bauberufsgenossenschaft ist und zur produktiven Winterbauförderung herangezogen wird, unterhält einen Betrieb, dessen betriebliches Tätigkeitsfeld in den Jahren 1992 und 1993 darin bestand, als Subunternehmerin für Fensterfirmen bereits eingebaute Fenster- und Türelemente an den entsprechenden Bauwerken gegen Witterungseinflüsse abzudichten. Dabei wurden von den Arbeitnehmern der Beklagten sowohl die Zwischenräume zwischen Mauerwerk und Fensterrahmen wie auch die Zwischenräume zwischen bereits im Rahmen befestigten Glasscheiben und dem Fensterrahmen mit Kunststoffmasse abgedichtet. Welcher Anteil der betrieblichen Gesamtarbeitszeit jeweils auf diese beiden Tätigkeitsbereiche entfiel, ist zwischen den Parteien im Streit.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten...

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