Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltungsbereich der Bautarifverträge
Leitsatz (amtlich)
1. Ein vom betrieblichen Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes ausgenommener Betrieb des Glaserhandwerks liegt nur dann vor, wenn arbeitszeitlich überwiegend in handwerksmäßiger Art und Weise Tätigkeiten ausgeführt werden, die nach Herkommen und Üblichkeit dem Glaserhandwerk zuzuordnen sind, und es sich obendrein bei diesen Tätigkeiten um wesentliche (Teil-)tätigkeiten des Glaserhandwerks handelt.
2. Bei der Vornahme von Verfugungen zwischen Mauerwerk und Fensterrahmen handelt es sich nicht um wesentliche Teiltätigkeiten des Glaserhandwerks. Ein Betrieb, der derartige Arbeiten arbeitszeitlich überwiegend ausführt, wird daher vom betrieblichen Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes erfaßt (Abweichung v. BAG AP Nr. 139 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). – Rev. zugel.
Normenkette
TVG Tarifverträge: Bau § 1; VTV/Bau v. 12.11.1986 § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 02.02.1993; Aktenzeichen 1 Ca 2384/91) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 02. Februar 1993 – 1 Ca 2384/91 – abgeändert:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.096,06 DM (i. W. Zwölftausendsechundneunzig 06/100 Deutsche Mark) zu zahlen.
II. Die Beklagte wird verurteilt,
dem Kläger auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,
1.1 wieviel Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Juli bis September 1991 in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden sowie in welcher Höhe die lohnsteuerpflichtige Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkassen der Bauwirtschaft in den genannten Monaten angefallen Sind,
1.2 wieviele Angestellte insgesamt mit Ausnahme derjenigen, die eine geringfügige Beschäftigung im Sinne von § 8 SGB IV ausüben, in den Monaten Juli bis September 1991 in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden, welche Bruttogehaltssumme und in welcher Höhe Vorruhestands- sowie Zusatzversorgungsbeiträge für die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG in den genannten Monaten angefallen sind,
für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, ist an den Kläger folgende Entschädigung zu zahlen:
zu Nr. 1.1 |
DM 16.200,00 |
zu Nr. 1.1 |
DM 511,47 |
Gesamtbetrag: |
DM 16.711,47 |
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Auskunfts- und Zahlungsverpflichtungen der Beklagten nach den Tarifverträgen des Baugewerbes.
Der Kläger ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.
Die am 25.05.1988 im Handelsregister mit dem Unternehmensgegenstand „Durchführung von Bauabdichtungen und Bautenschutzarbeiten” eingetragene Beklagte, deren Geschäftsführer, gelernter Glaser, zuvor einen Betrieb unterhalten hatte, mit dem er am bautarifvertraglichen Sozialkassenverfahren teilgenommen hatte, führte nach Betriebsaufnahme Instandsetzungsarbeiten an Gebäuden (Betonsanierung) aus. Dabei wurden Betonflächen dampfgestrahlt, alte Farben abgebeizt, Untersuchungen nach rostigem Eisen vorgenommen, die Schadstellen mittels Kompressor bzw. Stemmeisen aufgebrochen, freigelegtes Eisen sandgestrahlt, Armierungseisen vorbehandelt, die Aufbruchstellen mit Reparaturmörtel wieder verschlossen und sodann die Fassaden mittels Anstrich imprägniert. Bis einschließlich 1990 nahm die Beklagte am bautarifvertraglichen Sozialkassenverfahren teil. Im Kalenderjahr 1991 führte die Beklagte – jedenfalls auch – Verfugungsarbeiten durch. Dabei wurden im Zuge von Renovierungsarbeiten sowohl Fugen zwischen Mauerwerk und Fensterrahmen wie an Böden, Balkonen und zwischen Fliesen geschlossen sowie Glasversiegelungsarbeiten durchgeführt.
Mit seiner Klage nimmt der Kläger die Beklagte in ursprünglich zwei getrennten, vom Arbeitsgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtsstreiten nach Maßgabe der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes zum einen für den Zeitraum Oktober bis Dezember 1991 auf Zahlung von Beiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer (11.814,99 DM) und Angestellte (259,47 DM) sowie in der Zeit vom 01.07. bis 16.12.1991 angefallene Verzugszinsen wegen verspätet gezahlter Beiträge, zum anderen für den Zeitraum Juli bis September 1991 auf Erteilung der nach den Bautarifverträgen für baugewerbliche Arbeitgeber vorgesehenen Auskünfte für Arbeiter und Angestellte, jeweils für den Fall der Nichterfüllung der Auskunft auf Zahlung einer Entschädigungssumme in Anspruch.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Betrieb der Beklagten sei im Klagez...