Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilnahme eines Unternehmens, das Trockenbau-, Bodenbeschichtungs-, Maler- und Stuck- und Putzarbeiten ausführt, am Sozialkassenverfahren im Baugewerbe

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Führen Arbeitnehmer Tätigkeiten aus, die sowohl baulicher Natur sind als auch einem der ausgenommenen Gewerke des § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV zuzurechnen. sind, so kommt es entscheidend darauf an, welches Gepräge diese "Sowohl-als-auch-Tätigkeiten" dem Betrieb geben.

2. § 7 SokaSiG ist trotz der dort angeordneten Rückwirkung nicht verfassungswidrig.

 

Orientierungssatz

Unbegründete Berufung gegen Entscheidung des Arbeitsgerichts, mit welcher einer Beitragsklage nach dem VTV stattgegeben wurde. Ausführung von sog. Sowohl-als-auch-Tätigkeiten. Anwendung des SokaSiG unter Bezugnahme auf 10 Ta 524/16 und 10 Sa 907/16.

 

Normenkette

SokaSiG § 7

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 03.09.2015; Aktenzeichen 5 Ca 1852/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.03.2019; Aktenzeichen 10 AZR 512/17)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 03. September 2015 - 5 Ca 1852/13 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Zahlungsverpflichtungen nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes verpflichtet.

Auf Grundlage des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) begehrte der Kläger von dem Beklagten die Zahlung tarifvertraglich geschuldeter Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer und für eine Angestellte für den Zeitraum von Januar 2008 bis Februar 2012.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei verpflichtet, am Sozialkassenverfahren im Baugewerbe teilzunehmen. Er hat behauptet, die im Betrieb des Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer hätten in den Kalenderjahren 2008 bis 2012 arbeitszeitlich gesehen überwiegend, d.h. zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit, die zusammengerechnet auch mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgemacht habe, folgende Tätigkeit ausgeführt:

- Stuck-, Putz-, Gips- und Rabitzarbeiten, einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern

- Malerarbeiten zu weniger als 50 % inklusive aller mit den Malerarbeiten im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten

- Bodenbeschichtungs- und Bodenbelagsarbeiten im Zusammenhang mit eigenen baulichen Leistungen

- Trockenbau und Montagebauarbeiten, wie z.B. der Einbau vorgefertigter und von Dritten bezogener Baufertigteile, insbesondere von Fenstern und Türen, dass Verkleiden von Wänden und Decken, Anbringen von Rigipsplatten oder Holz bzw. Kunststoffkanälen, Erstellen von Leichtbautrennwänden sowie Reparaturen an diesen Bauteilen insbesondere Fenstern und Türen, Verputz- und Maurertätigkeiten, insbesondere im Zusammenhang mit Montagearbeiten

- sowie die mit oben genannten Tätigkeiten in Zusammenhang stehenden Vor-, Zu- und Nachbereitungstätigkeiten wie Materialbeschaffung, Baureinigung und Aufräumarbeiten an eigenen Baustellen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zur Zahlung von Beiträgen in Höhe von 24.605,50 EUR zu verurteilen.

Der Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und die Auffassung vertreten, sein Betrieb sei im streitgegenständlichen Zeitraum nicht dem Geltungsbereich der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe unterfallen, da überwiegend Malertätigkeiten ausgeführt worden seien. Daneben seien Entrümpelungs- und Laminat Verlegearbeiten verrichtet worden. Weiterhin sei der Arbeitnehmer A mit klassischen Hausmeistertätigkeiten befasst gewesen. Der Mitarbeiter A habe kleinere Reparaturen an Schlössern, Schaltern und Lampen durchgeführt und sei auch bei Malerarbeiten tätig geworden.

Das Arbeitsgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 17. Juli 2014 (Blatt 59 der Akte) im Wege der Rechtshilfe Zeugenbeweis zu der Frage erhoben, in welchem arbeitszeitlichen Umfang die in dem Betrieb des Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer die von dem Kläger behaupteten Tätigkeiten in den streitgegenständlichen Jahren ausgeführt haben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der nicht-öffentlichen Sitzungen vor den ersuchten Richtern des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 13. Oktober 2014 (Blatt 104 ff. der Akte) und des Arbeitsgerichts Lörrach vom 12. Mai 2015 (Blatt 174 f. der Akte) verwiesen.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat der Klage mit Urteil vom 03. September 2015 auf Grundlage der §§ 18, 19 in der jeweils gültigen Fassung des VTV 2009 i.V.m. der jeweils erfolgten Allgemeinverbindlichkeitserklärung des VTV für den Zeitraum vom 01. Januar 2010 bis zum 28. Februar 2012 i.H.v. 12.420,15 EUR stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Es hat angenommen, der betriebliche Geltungsbereich de...

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