Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung. Erforderlichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung infolge einer außerordentlichen Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung
Leitsatz (amtlich)
Die außerordentliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung durch § 275 c SGB 6 zwingt nicht zu einer ergänzenden Vertragsauslegung (Abweichung von BAG v. 21.04.2009 - 3 AZR 471/07 und 3 AZR 695/08). Es handelt sich um einen Fall der Störung der Geschäftsgrundlage. Nur bei Unzumutbarkeit der Folgen kann eine Anpassung verlangt werde.
Normenkette
BGB §§ 313, 157; SGB VI §§ 159, 275c
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 30.03.2011; Aktenzeichen 2 Ca 19/11) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 30.03.2011 - Az. 2 Ca 19/11 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Zusammenhang mit der "außerordentlichen" Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (BBG) zum 1. Januar 2003 über die Berechnung der Betriebsrente des Klägers.
Der am 6. Oktober 1950 geborene Kläger war vom 5. Februar 1973 bis zum 31. Oktober 2010 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen, zuletzt als Systemingenieur tätig. Die A, bei der der Kläger zuletzt tätig war, wurde gemäß Verschmelzungsvertrag vom 2. Juni 2010 auf die Beklagte verschmolzen. Seit 1. November 2010 bezieht der Kläger eine vorzeitige Betriebsrente in Höhe von 1.420,80 EUR brutto monatlich gemäß der Pensionsordnung vom 27. April 1988. Die Betriebsrente ist jeweils zum ersten eines jeden Monats fällig.
Zwischen den Parteien kommt die als Betriebsvereinbarung abgeschlossene Pensionsordnung vom 27. April 1988 zur Anwendung. Diese hat auszugsweise folgenden Inhalt:
4. Pensionsfähige Dienstzeit
Als pensionsfähige Dienstzeit gilt die Zeit, die ein Mitarbeiter nach Vollendung des 20. Lebensjahres und vor Vollendung des 65. Lebensjahres ununterbrochen in den Diensten der Firma verbracht hat. Die pensionsfähige Dienstzeit ist auf höchstens 30 Jahre beschränkt.
...
5. Pensionsfähiges Einkommen
Als pensionsfähiges Einkommen gilt das Grundgehalt des letzten Monats Januar vor dem Ausscheiden aus den Diensten der Firma.
...
6. Pensionsfähige Bemessungsgrenze
Als pensionsfähige Bemessungsgrenze gilt die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung des letzten Monats Januar vor Ausscheiden aus den Diensten der Firma.
7. Altersrente
Normale Altersrente erhalten alle Mitarbeiter, die nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus den Diensten der Firma ausscheiden. Vorzeitige Altersrente erhalten alle Mitarbeiter, die nach Vollendung des 60. Lebensjahres aus den Diensten der Firma ausscheiden.
Die normale bzw. vorzeitige Altersrente beträgt für jedes Jahr der pensionsfähigen Dienstzeit (siehe Abschnitt 4)
0,8% des gesamten pensionsfähigen Einkommens (siehe Abschnitt 5)
zuzüglich
1,4% desjenigen Teils des pensionsfähigen Einkommens (siehe Abschnitt 5), der die pensionsfähige Bemessungsgrenze (siehe Abschnitt 6) übersteigt.
17. Rückdeckungsversicherung
Die Firma ist jederzeit berechtigt, zur Finanzierung dieser Pensionsordnungen oder zur Abdeckung der mit dieser Pensionsordnung verbundenen Risiken eine Rückdeckungsversicherung abzuschließen. Sämtliche Rechte aus dieser Versicherung stehen ausschließlich der Firma zu. Die Mitarbeiter sind verpflichtet, der Firma sämtliche für den Abschluss der Versicherungen notwendigen Unterlagen bzw. Angaben zur Verfügung zu stellen und sich ärztlich untersuchen zu lassen, falls dies für den Abschluss der Versicherung notwendig ist.
19. Vorbehalte
Die Firma verpflichtet sich, die in dieser Pensionsordnung zugesagten Leistungen zu erbringen. Es werden keine Vorbehalte außer den sog. Mustervorbehalten des Abschnitts 41 Ziffer (3) der Einkommenssteuer-Richtlinien gemacht.
Auf den weiteren Inhalt der Pensionsordnung wird Bezug genommen (Bl. 14-21 d.A.).
Gemäß § 3 Ziff. 1 der nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über die maßgebenden Rechengrößen der Sozialversicherung für 2003 vom 17. September 2002 war die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellte für das Jahr 2003 zunächst auf 55.200,00 EUR jährlich und 4.600,00 EUR monatlich festgesetzt worden. Durch Artikel 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 23. Dezember 2002 wurde § 275 c SGB VI eingefügt. Diese Vorschrift trat zum 1. Januar 2003 in Kraft und legte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 2003 auf 61.200,00 EUR jährlich und 5.100,00 EUR monatlich fest. Zudem wurden die ungerundeten Ausgangswerte für die Bestimmung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2004 festgelegt. Dies hatte zur Folge, dass sich die einmalige stärke...