Entscheidungsstichwort (Thema)
Lebensaltersstufen nach § 27 BAT. Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 06.01.2010, 2 Sa 1121/09, das vollständig dokumentiert ist. Altersdiskriminierung. Ausgleichsanspruch. Ausschlussfrist
Leitsatz (redaktionell)
Die tariflichen, nach Lebensaltersstufen gestaffelten Vergütungsregelungen des BAT sind wegen unmittelbarer Altersdiskriminierung unwirksam und führen zu einer Leistungserstreckung auf jüngere Arbeitnehmer.
Normenkette
BAT § 27 Abschn. A Abs. 1 S. 1; AGG §§ 1, 3, 7
Verfahrensgang
ArbG Marburg (Urteil vom 17.04.2009; Aktenzeichen 2 Ca 106/09) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 17. April 2009 – 2 Ca 106/09 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst.
Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin Grundvergütung gemäß der Vergütungsgruppe IV b der Anlage 1 a zum BAT nach der höchsten Lebensaltersstufe dieser Vergütungsgruppe für die Zeit vom 1. August 2008 bis zum 31. Dezember 2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 2/3 und das beklagte Land 1/3 zu tragen.
Für das beklagte Land wird die Revision zugelassen, im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin um die Höhe des der Klägerin zustehenden Gehaltes.
Die am … geborene Klägerin, die Gewerkschaftsmitglied ist, arbeitet aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 17. April 2003 nebst verschiedener Änderungsvereinbarungen bei dem beklagten Land als Lehrerin. Wegen des Wortlautes der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen wird auf die Kopien Bl. 5-16 d. A. Bezug genommen. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Bundesangestelltentarifvertrag und die diesen jeweils ergänzenden oder ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung Anwendung. Die Klägerin ist in die Vergütungsgruppe IV b der Anlage 1 zum BAT eingruppiert und erhält ihre Vergütung entsprechend der jeweils maßgeblichen Altersstufe. Das beklagte Land trat mit Wirkung zum 31. März 2004 aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) aus, die mit Wirkung zum 1. November 2006 einen neuen Tarifvertrag (TV-L) mit den Gewerkschaften abgeschlossen hat. Die Klägerin schrieb das beklagte Land unter dem 2. Mai 2008 und dem 11. Februar 2009 an; wegen des Wortlauts beider Schreiben wird auf die Kopie Bl. 115 und Bl. 4 d. A. Bezug genommen. Im November 2009 schloss das beklagte Land mit den Gewerkschaften neue Tarifverträge – unter anderem den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen (TV-H) – ab, die mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 für die Beschäftigten des beklagten Landes gelten und den bisher geltenden BAT ablösen.
Die Klägerin hat in ihrer dem beklagten Land am 20. Februar 2009 zugestellten Klage die Ansicht vertreten, die Zahlung der Grundvergütung nach Lebensaltersstufen, wie sie der BAT vorsehe, stelle eine unzulässige Altersdiskriminierung dar, die auch nicht durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei. Deshalb sei die differenzierte Bezahlung nach Lebensaltersstufen rechtswidrig und das beklagte Land schulde ihr für den Zeitraum seit Inkrafttreten des AGG Vergütung nach der höchsten Lebensaltersstufe.
Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhaltes, des weiteren Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Marburg vom 17. April 2009 gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen (Bl. 59-61 d. A.).
Das Arbeitsgericht Marburg hat durch vorgenanntes Urteil die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die unterschiedliche Vergütungshöhe nach den Lebensaltersstufen des § 27 A BAT stelle zwar eine Diskriminierung wegen des Alters dar, weil ältere Mitarbeiter des beklagten Landes alleine wegen ihres Alters eine höhere Vergütung als jüngere Beschäftigte erhielten. Die unterschiedliche Behandlung sei jedoch nach § 10 AGG gerechtfertigt, da sie durch ein angemessenes und legitimes Ziel der Tarifvertragsparteien gerechtfertigt sei. Die Lebensaltersstufen des BAT seien von den Tarifvertragsparteien mit unterschiedlichen Vergütungshöhen deshalb gebildet und versehen worden, weil zum einen die unterschiedliche Berufs- und Lebenserfahrung der Mitarbeiter bewertet werden sollte. Ein erhöhtes Lebensalter führe in der Regel bei den Mitarbeitern zu einer höheren Lebens- und Berufserfahrung, wodurch die Arbeitnehmer im Allgemeinen befähigt seien, ihre Arbeit besser zu verrichten. Zum anderen lägen den unterschiedlichen Lebensaltersstufen auch soziale Erwägungen zugrunde. Ältere Mitarbeiter mit erhöhten familiären Kosten sollten im Rahmen der Alimentationspflicht des öffentlichen Arbeitgebers mit einem erhöhten Vergütungsbetrag bedacht werden. Auße...