Entscheidungsstichwort (Thema)
Lebensaltersstufen nach § 27 BAT. Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 06.01.2010, 2 Sa 1121/09, das vollständig dokumentiert ist. Altersdiskriminierung. Ausgleichsanspruch. Ausschlussfrist
Leitsatz (redaktionell)
Die tariflichen, nach Lebensaltersstufen gestaffelten Vergütungsregelungen des BAT sind wegen unmittelbarer Altersdiskriminierung unwirksam und führen zu einer Leistungserstreckung auf jüngere Arbeitnehmer.
Normenkette
BAT § 27 Abschn. A Abs. 1 S. 1; AGG §§ 1, 3, 7
Verfahrensgang
ArbG Gießen (Urteil vom 16.04.2009; Aktenzeichen 1 Ca 193/09) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 16. April 2009 – 1 Ca 193/09 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst.
Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin Grundvergütung gemäß der Vergütungsgruppe II a der Anlage 1 a zum BAT nach der höchsten Lebensaltersstufe dieser Vergütungsgruppe für die Zeit vom 1. August 2008 bis zum 31. Dezember 2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 2/3 und das beklagte Land 1/3 zu tragen.
Für das beklagte Land wird die Revision zugelassen, im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin um die Höhe des der Klägerin zustehenden Gehaltes.
Die … geborene Klägerin, die Gewerkschaftsmitglied ist, arbeitet aufgrund verschiedener arbeitsvertraglicher Vereinbarungen seit dem 15. April 2003 dem beklagten Land als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Wegen des Wortlautes der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen wird auf die Kopien Bl. 18-26 d. A. Bezug genommen. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Bundesangestelltentarifvertrag und die diesen jeweils ergänzenden oder ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung Anwendung. Die Klägerin ist in die Vergütungsgruppe II a der Anlage 1 zum BAT eingruppiert und erhält ihre Vergütung entsprechend der jeweils maßgeblichen Altersstufe. Das beklagte Land trat mit Wirkung zum 31. März 2004 aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) aus, die mit Wirkung zum 1. November 2006 einen neuen Tarifvertrag (TV-L) mit den Gewerkschaften abgeschlossen hat. Die Klägerin machte mit Schreiben vom 10. Februar 2009, wegen dessen Wortlauts auf die Kopie Bl. 28 d. A. Bezug genommen wird, die Zahlung der Vergütung gemäß der höchsten Lebensaltersstufe ihrer Vergütungsgruppe geltend, welches dem beklagten Land am 20. Februar 2009 zuging. Im November 2009 schloss das beklagte Land mit den Gewerkschaften neue Tarifverträge – unter anderem den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen (TV-H) – ab, die mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 für die Beschäftigten des beklagten Landes gelten und den bisher geltenden BAT ablösen.
Die Klägerin hat in ihrer dem beklagten Land am 3. April 2009 zugestellten Klage die Ansicht vertreten, die Zahlung der Grundvergütung nach Lebensaltersstufen, wie sie der BAT vorsehe, stelle eine unzulässige Altersdiskriminierung dar, die auch nicht durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei. Deshalb sei die differenzierte Bezahlung nach Lebensaltersstufen rechtswidrig und das beklagte Land schulde ihr für den Zeitraum seit Inkrafttreten des AGG Vergütung nach der höchsten Lebensaltersstufe.
Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhaltes, des weiteren Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Gießen vom 16. April 2009 gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen (Bl. 57 f. d. A.).
Das Arbeitsgericht Gießen hat durch vorgenanntes Urteil die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die unterschiedliche Vergütungshöhe nach den Lebensaltersstufen des § 27 A BAT stelle zwar eine Diskriminierung wegen des Alters dar, weil ältere Mitarbeiter des beklagten Landes alleine wegen ihres Alters eine höhere Vergütung als jüngere Beschäftigte erhielten. Die unterschiedliche Behandlung sei jedoch nach § 10 AGG statthaft, da sie objektiv angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei. Gemäß § 10 Ziff. 2 AGG können unterschiedliche Behandlungen die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese gesetzliche Regelung stelle klar, dass nicht nur die Berufserfahrung und Beschäftigungsjahre, sondern auch schlicht das Lebensalter Unterscheidungskriterium sein können. Die Tarifvertragsparteien hätten sich – wie § 27 BAT zeige – entschlossen, für den Bereich des öffentlichen Dienstes der Lebenserfahrung einen besonderen Stellenwert beizumessen. Bis zu einem bestimmten Lebensalter wollten sie nicht zwischen Berufs- und Lebenserfah...