Revision zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit der Tarifverträge über den Vorruhestand im Baugewerbe
Leitsatz (amtlich)
1. § 5 TVG ist verfassungsgemäß auch soweit er sich auf Abschluß oder Beendigungsnormen bezieht.
2. Die Vorruhestandtarifverträge verstoßen nicht gegen Art. 14 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 oder Art. 12 Abs. 1 IGG.
3. Die Allgemeinverbindlichkeitserklärungen der Vorruhestandstarifverträge sind wirksam, da sie im öffentlichen Interesse geboten erschien.
Normenkette
TVG §§ 1, 5
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 22.09.1987; Aktenzeichen 5/2 Ca 5144/86) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil desArbeitsgerichts Wiesbaden vom22.9.1987 – 5/2 Ca 5144/86 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes die nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe (Verfahrens-TV) und nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag über das Verfahren für den Vorruhestand im Baugewerbe (TV-Vorruhestandsverfahren) die entsprechenden Beiträge von den Arbeitgebern einzieht und Auskünfte zur Errechnung dar Beiträge einholt.
Die Beklagte ist ein unternehmen der Bauwirtschaft mit mehreren Niederlassungen. Im Jahre 1986 beschäftigte sie 559 Arbeitnehmer und hat einen Umsatz von 70 Mio. DM. Die Beklagte gehört keinem Arbeitgeberverband an.
Die aufgrund des Tarifvertrages über das Verfahren für den Vorruhestand im Baugewerbe vom 12. Dezember 1984 i.d.F. vom 17.12.1985 zu zahlenden Beitragsteile leistete die Beklagte zunächst unter Vorbehalt, stellte später aber diese Zahlungen ein. Die Klägerin verrechnete danach die Beiträge mit den der Beklagten zustehenden Erstattungsforderungen. Die Beklagte leistete sodann keinerlei Beitragszahlungen mehr.
Mit der Klage macht die Klägerin Beitragsansprüche für die Monate April bis Juni 1984 geltend.
Die Klägerin hält die Regelungen in den Vorruhestands-Tarifverträgen für wirksam. Sie hat die Auffassung vertreten, für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) dieser Tarifverträge habe auch ein öffentliches Interesse bestanden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
an sie 14.410,35 DM zu zahlen.
- Die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte, hat beantragt,
- die Klage abzuweisen.
- Widerklagend festzustellen, daß sie nicht verpflichtet ist, Beiträge aus dem Vorruhestandstarifvertrag vom 26.9.1984 i.d.F. vom 17.12.1985 und dem Tarifvertrag Vorruhestands-Verfahren vom 12.12.1984 i.d.F. vom 17.12.1985 zu zahlen.
Sie hat geltend gemacht, die Aufrechnung sei unzulässig, da es sich um Forderungen verschiedener Sozialkassen handele. Darüber hinaus sei sie als nicht tarifgebundene Arbeitgeberin nicht verpflichtet, Beitragsleistungen zur Finanzierung des Vorruhestandes zu erbringen, da sowohl die Vorruhestands-Tarifverträge als auch die Allgemeinverbindlichkeitserklärungen, die erst die Verpflichtungen der nicht gebundenen Arbeitgeber begründeten, rechtsunwirksam seien. Sie hat behauptet, für das Kalenderjahr 1986 ergebe sich eine Beitragsbelastung von ca. 828.000,– DM, der lediglich Erstattung von ca. 274.000,– DM gegenüberständen. Von den insgesamt 559 Mitarbeitern seien zum 30. 6.1986 nur 56 Mitarbeiter im Vorruhestandsalter, und nur 45 Mitarbeiter erfüllten die Voraussetzungen für den tariflichen Vorruhestand. Tatsächlich hätten aber nur 9 Mitarbeiter von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. In absehbarer Zeit sei keine Änderung dieser Situation zu erwarten. Die wegen der zu erwartenden Vorruhestandsleistungen notwendigen Rückstellungen beliefen sich auf ca. ein Zehntel des Gesamtumsatzes. Eine derartige Belastung führe zu Existenzgefährdung mittelständiger Unternehmen. Lediglich in Großbetrieben, die keine vorausschauende Personalpolitik betrieben, sei mit einer hohen Zahl von Vorruhestandsfällen zu rechnen. Das Baugewerbe sei ca. 6,6 mal mehr von der Vorruhestandsregelung betroffen als der Durchschnitt aller Branchen. Die tatsächlichen Verhältnisse in den Betrieben differierten stark. Es gebe eine Reihe von Fällen, in denen es, keine potentiellen Vorruhestandsfälle gegeben habe, nur ein relativ geringer Anteil der Berechtigten von der Vorruhestandsregelung tatsächlich Gebrauch gemacht hätten, mehr als 5 % der Belegschaft in den Vorruhestand gegangen seien oder noch gehen wollten oder aber Mitarbeiter den Vorruhestand in Anspruch nähmen, die auf absehbare Zeit nicht ersetzbar seien. Die Beklagte hat weiter vorgetragen, es bestände auch kein öffentliches Interesse für eine AVE. Zum einen dürften für das öffentliche Interesse nicht nur die Interessen einer bestimmten Gruppe von Unternehmen genügen. Darüber hinaus gehe es auch in den Vorruhestands-Tarifverträgen nicht um Arbeitsbedingungen, sondern um arbeitsmarktpolitische Zielsetzun...