Entscheidungsstichwort (Thema)

Freistellung durch den Insolvenzverwalter. Sozialauswahl

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage eines „originären” Rechts des Insolvenzverwalters aus § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO einen Arbeitnehmer von der Pflicht zur Arbeitleistung freizustellen und zur Frage, falls ein solches Recht besteht dabei die Grundsätze der Sozialauswahl zu beachten.

 

Normenkette

InsO § 209 Abs. 2 Nr. 3; KSchG § 1 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.12.2000; Aktenzeichen 16 Ca 441/00)

 

Tenor

Auf die Berufung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14.12.2000 (Az.: 16 Ca 441/00) teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Freistellung vom 30.12.1998 ab 26.12.2002 unwirksam ist.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin hat 4/10, der Beklagte 6/10 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist seit 01.04.1997 bei dem H. F. AG als Krankenpflegehelferin beschäftigt.

Am 30.12.1999 wurde über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 30.12.1999 stellte der Beklagte die Klägerin von der Arbeit frei. Am 30.12.1999 zeigte der Beklagte die Masseunzulänglichkeit an.

Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Klägerin im Mutterschutz, der bis 22.02.2000 andauerte. Danach nahm die Klägerin Erziehungsurlaub, der bis 25.12.2002 andauert. Die Klägerin war bis Juni 2002 Mitglied des Betriebsrats, der im Juni neu gewählt wurde. Die Klägerin wurde zum Ersatzmitglied gewählt.

Mit ihrer Klage wehrt sich die Klägerin gegen die Freistellung und verlangt Zahlung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld für die Zeit vom 30.12.1999 bis 22.02.2000.

Sie hat geltend gemacht, die Freistellung sei im Hinblick darauf, dass die Sozialauswahl nicht berücksichtigt worden sei, unwirksam.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. festzustellen, dass die Freistellung vom 30.12.1999 unwirksam ist;
  2. den Beklagten zu verurteilen, an sie für die Zeit vom 30.12.1999 bis zum 22.02.2000 den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe von DM 2.692,25 netto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (05.09.2000) zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, er könne wegen der Masseunzulänglichkeit nicht verpflichtet werden, die Arbeitsleistung der Klägerin anzunehmen und damit Zahlungsverpflichtungen gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 KO und § 209 Abs. 1 Nr. 2 KO auslösen. Im Falle der Fortführung des Geschäftsbetriebs sei der Insolvenzverwalter gehalten, lediglich die Arbeitnehmer tatsächlich zu beschäftigen und damit Masseverbindlichkeiten gem. § 209 Abs. 1 Ziff. 3 KO zu begründen, die er zur Fortführung des Geschäftsbetriebes benötige. Der Beklagte hat geltend gemacht, es hätten Überkapazitäten auf der Normalstation, der Sterilisation, im Hohl- und Bringdienst und in der Liegendaufnahme bestanden, so dass insgesamt 27 Mitarbeiten hätten freigestellt werden müssen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Gegen das ihr am 21.02.2001 zugestellt Urteil hat die Klägerin am 21.03.2001 Berufung eingelegt und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 23.05.2001 die Berufung mit am 23.05.2001 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Klägerin vertieft ihr Vorbringen erster Instanz und beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14.12.2000 abzuändern und

  1. festzustellen, dass die Freistellung vom 30.12.1999 unwirksam ist;
  2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin für die Zeit vom 30.09.1999 bis zum 22.02.2000 den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe von DM 2.692,25 netto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und wiederholt im Übrigen sein Vorbringen erster Instanz.

Zur Ergänzung des beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf die von den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die nach dem Wert des Streitgegenstandes statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden.

In der Sache selbst ist die Berufung der Klägerin teilweise begründet. Soweit die Klägerin die Feststellung der Unwirksamkeit der Freistellung bis 22.12.2002 begehrt ist die Klage unzulässig. Eine Feststellungsklage gem. § 256 ZPO setzt ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses voraus. Mit der von der Klägerin beantragten Feststellung begehrt diese die Feststellung, dass die Freistellung von der Arbeitspflicht unwirksam, also eine Pflicht des Beklagten zur Beschäftigung der Klägerin als Krankenpflegehelferin besteht. Eine solche Pflicht des Beklagten besteht zum Zeitpunkt der fetzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht. Die Klägerin befindet sich zur Zeit und noch für längere Zeit in Erziehungsurlaub. Ein Beschäftigungsanspruch und hierzu korrespondierend ...

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