Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweislast bei Inanspruchnahme eines Gewerbetreibenden zur Zahlung von Beiträgen zum Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Ob das Bestreiten des Arbeitgebers ausreicht, wenn er vorträgt, dass bestimmte Arbeiten "ohne baulichen Zusammenhang" erfolgt seien, ist eine Frage des Einzelfalls.

Macht ein Zeuge berechtigterweise von seinem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 383 ZPO Gebrauch, so darf das Gericht hieraus keine negativen Schlüsse zulasten derjenigen Partei ziehen, zu der der Zeuge in einer Nähebeziehung steht.

Streiten die Parteien darüber, ob die Arbeitnehmer überwiegend eine bauliche Tätigkeit verrichtet haben, so folgt daraus, dass für die von einem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machenden Arbeitnehmer unterstellt werden muss, sie hätten zu einhundert Prozent nichtbauliche Arbeiten erbracht.

 

Leitsatz (redaktionell)

Lässt sich aufgrund der Zeugnisverweigerung eines Zeugen auf Grund eines Näheverhältnisses zu einem auf Zahlung von Beiträgen zum Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft in Anspruch genommenen Gewerbetreibenden nicht beweisen, dass der Arbeitnehmer überwiegend eine bauliche Tätigkeit verrichtet hat, so ist der von den Sozialkassen zu führende Beweis nicht geführt und daher davon auszugehen, die Arbeitnehmer hätten zu 100% nichtbauliche Arbeiten erbracht.

 

Normenkette

VTV-Bau § 1; ZPO § 383

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 11.10.2012; Aktenzeichen 9 Ca 473/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 11. Oktober 2012 - 9 Ca 473/11 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zum Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes verpflichtet.

Der Beklagte betreibt einen Gewerbebetrieb mit Sitz in A.. Seit dem 29. Mai 2002 ist er bei dem Ordnungsamt der Stadt A. mit den Tätigkeiten "Garten- und Landschaftsbau" sowie "Hausmeisterservice" gemeldet. Seit dem 10. Mai 2007 ist er bei der Handwerkskammer E. mit dem Gewerbe "Straßenbauer" und der Beschränkung "Bordsteine setzen und Pflasterarbeiten" eingetragen. Er wird bei der Gartenbau-Berufsgenossenschaft geführt. Die Agentur für Arbeit B. nahm am 6. April und 4. November 2009 eine Betriebsprüfung vor. Sie stellte ausweislich des zur Akte gereichten Prüfungsberichts fest, dass im Betrieb folgende Arbeiten erbracht worden seien: Pflasterarbeiten, Rinnen legen, Bordsteine setzen. Wegen der Einzelheiten des Prüfberichts wird verwiesen auf Blatt 22 bis 25 d.A. Auch das Hauptzollamt C. ermittelte wegen eines eventuellen Mindestlohnverstoßes. Hinsichtlich des zur Akte gereichten Aktenvermerks wird Bezug genommen auf Blatt 50 bis 51 d.A.

Auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) begehrt der Kläger von dem Beklagten Zahlung von Beiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer für die Monate Januar 2009 bis November 2010 in Höhe von 174.616 Euro. Der Kläger berechnete die Beitragsforderung auf der Grundlage von statistischen Durchschnittslöhnen und legte dabei zugrunde, dass der Beklagte monatlich mindestens 13 Arbeitnehmer beschäftigte.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass der Beklagte verpflichtet sei, am Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft teilzunehmen. Er hat behauptet, dass die in dem Betrieb des Beklagten beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer in den Kalenderjahren 2009 und 2010 arbeitszeitlich betrachtet überwiegend, das heißt zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Gesamtarbeitszeit, die zusammengerechnet auch mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausmache, folgende Arbeiten ausgeführt hätten:

- Tiefbauarbeiten, nämlich die Aufnahme alter Pflastersteine sowie das Neu-Verlegen von Natur- (z. B. Quadratpflaster Rinn Nostalgo, Klein- und Mosaik-Pflaster beispielsweise aus Basalt) und Kunst-Steinpflaster sowie (Gehweg-)Platten;

- das Setzen von Rand- und (Tief-)Bordsteinen (z. B. Basamentsteinen) und das Verlegen von Ablaufrinnen (Flussbahnen aus Rinnensteinen) aus Natur- und Kunst-Stein zur Erstellung von Straßen, Wegen, Plätzen sowie Stell- und Pflasterflächen;

- Freistemmen von Tiefborden, deren Neuausrichtung und Neu-Einbetonieren;

- Lagerhaltung sowie der An- und Ab-Transport von Platten und Steinen zur Verrichtung der zuvor beschriebenen Arbeiten durch die Arbeitnehmer des Beklagten selbst;

- Zuschnitt von Pflaster- und Rand- und (Tief)Bord-Steinen sowie von Platten auf den Baustellen des Beklagten durch dessen Arbeitnehmer, Einschneiden und Abrütteln von Pflaster;

- Setzen von Befestigungshülsen in Pflaster;

- Auskoffern von Teer;

- Erdbewegungsarbeiten, z. B. das Vorbereiten des Pflasterplanums und des Schotterplans (Einbau und Verdichtung von Schotter) zur nachfolgenden Verlegung von Pflas...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge