Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechtigung einer Versetzung als Gegenstand einer Feststellungsklage. Einsatzort und Arbeitsort beim fliegenden Personal von Luftverkehrsunternehmen. Ausübung des Direktionsrechts unter billigem Ermessen aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles. Rechtfertigung einer betriebsbedingten Änderungskündigung. Parallelentscheidung zu LAG Frankfurt/Main - 17 Sa 1613/14 - v. 07.03.2016
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach der Rechtsprechung des BAG kann die Berechtigung einer Versetzung grundsätzlich auch im Rahmen einer Feststellungsklage geklärt werden (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - AP GewO § 106 Nr. 11; BAG 15. August 2006 - 9 AZR 571/05 - AP LPVG Berlin § 84 Nr. 1). Dem hat die Kammer sich in ihrer Rechtsprechung aus Gründen der einheitlichen Rechtsanwendung und unter Zurückstellung von Bedenken, inwieweit es sich bei der Unwirksamkeit einer Versetzung um ein Rechtsverhältnis i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO handelt, angeschlossen (Kammerurteil vom 27. April 2015 - 17 Sa 782/14 - n.v.; Kammerurteil vom 10. November 2014 - 17 Sa 1349/13 - n.v.). Hiernach gilt: Zwar können nach § 256 Abs. 1 ZPO nur Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Eine Feststellungsklage muss sich jedoch nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis als Ganzes erstrecken. Sie kann sich auch auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken. Dies ist dann der Fall, wenn über die Wirksamkeit einer vom Arbeitgeber unter Berufung auf sein Direktionsrecht getroffenen Maßnahme, z.B. eine Versetzung, gestritten wird. Damit ist ein Klageantrag auf Feststellung der Unwirksamkeit oder Rechtswidrigkeit einer Versetzung noch als zulässig anzusehen (vgl. BAG 28. August 2013 - 10 AZR 569/12 - AP GewO § 106 Nr. 26; BAG 15. August 2006 - 9 AZR 571/05 - a.a.O.).
2. Die Zuweisung eines neuen, vertraglich nicht festgeschriebenen Stationierungsortes im Sinne eines Einsatzortes gegenüber einem Mitglied des fliegenden Personals stellt eine Versetzung dar (vgl. BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - a.a.O.; BAG 26. September 2012 - 10 AZR 412/11 - AP GewO § 106 Nr. 22). Die Veränderung des Stationierungsortes ("Homebase") im Sinne des Einsatzortes hat bei Mitarbeitern des fliegenden Personals wesentliche Auswirkungen insb. im Hinblick auf die Berechnung von Arbeitszeit und Ruhezeiten. Eine Versetzung an einen anderen Arbeitsort setzt nicht zwangsläufig den dauerhaften Wechsel auf einen Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb desselben Arbeitgebers voraus. Dem Versetzungsbegriff ist vielmehr immanent, dass mit dem Wechsel auch eine Änderung des Tätigkeitsbereichs, d.h. der Art, des Orts oder des Umfangs der Tätigkeit verbunden ist. Eine Versetzung setzt hierbei nicht notwendig die Zuordnung zu einem anderen Betrieb voraus. Auch die Zuweisung eines anderen regelmäßigen Arbeitsorts kann ausreichen, was vor allem bei Arbeitnehmern der Fall ist, die ihre regelmäßige Tätigkeit nicht in einer ortsgebundenen betrieblichen Organisation erbringen (BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 377/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Luftfahrt Nr. 29). Der regelmäßige Arbeitsort eines Flugbegleiters ist ohnehin nicht der Flughafen, sondern das Flugzeug. Die organisatorische Zuordnung der Mitarbeiter des fliegenden Personals zu einem konkreten Flughafen und eine etwaige teilweise Eingliederung in dessen Organisationsstruktur begründen bei ihnen gerade keinen gewöhnlichen Arbeitsort (BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 377/08 - a.a.O.; BAG 18. November 2008 - 9 AZR 815/07 - EzA AWbG NW § 7 Nr. 32; BAG 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - AP EGBGB nF Art. 27 Nr. 8).
3. Die Versetzung verstößt jedoch gegen § 106 GewO, weil die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl. BAG 26. September 2012 - 10 AZR 412/11 - a.a.O.; BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - AP BGB § 307 Nr. 26) nicht dargelegt hat, dass sie billigem Ermessen entspricht. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt hierbei eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen wie der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Dies gebietet eine Berücksichtigung und Verwertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Hierzu können insbesondere die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen gehören (BAG 26. September 2012 -10 AZR 412/11 - a.a.O.; BAG 21. Juli 200...