keine Angaben zur Anfechtbarkeit
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatzurlaub. Nachtarbeit. Bereitschaftsdienst. Tarifauslegung
Leitsatz (amtlich)
§ 28 Abs. 3 Satz 1 TV-Ärzte/VKA begründet einen Anspruch auf Zusatzurlaub auch für Nachtarbeitsstunden, die während des Bereitschaftsdienstes außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit geleistet werden.
Normenkette
ArbZG 6 V; TV-Ärzte/VKA 28 III 1
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Urteil vom 23.10.2008; Aktenzeichen 12 Ca 240/08) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 23. Oktober 2008 – 12 Ca 240/08 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Zusatzurlaub für Nachtarbeitsstunden.
Die Beklagte unterhält in ihrem A eine Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe.
Der Kläger ist dort als Arzt mit einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung in Höhe von 5.956,80 Euro bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Woche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern (TV-Ärzte/VKA) Anwendung. § 28 Absatz 3 TV-Ärzte/VKA hat folgenden Wortlaut:
„(3) Ärztinnen und Ärzte erhalten bei einer Leistung im Kalenderjahr von mindestens
150 Nachtarbeitsstunden |
1 Arbeitstag |
300 Nachtarbeitsstunden |
2 Arbeitstage |
450 Nachtarbeitsstunden |
3 Arbeitstage |
600 Nachtarbeitsstunden |
4 Arbeitstage |
Zusatzurlaub im Kalenderjahr. Nachtarbeitsstunden, die in Zeiträumen geleistet werden, für die Zusatzurlaub für Wechselschicht- oder Schichtarbeit zusteht, bleiben unberücksichtigt.”
In der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe leisten die Ärzte außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit Bereitschaftsdienste. Die regelmäßige Arbeitszeit ist dienstplanmäßig montags bis donnerstags von 07.30 Uhr bis 16.45 Uhr und freitags von 07.30 Uhr bis 14.00 Uhr festgelegt ist. Hieran schließt sich regelmäßig der Bereitschaftsdienst bis zum nächsten Morgen an. Am Wochenende werden bei der Beklagten reine Bereitschaftsdienste geleistet. An Feiertagen erfolgt die Einteilung zum Bereitschaftsdienst wie an Sonntagen.
Im Jahr 2007 leistete der Kläger an 80 Tagen Bereitschaftsdienst, von denen 720 Stunden im Zeitraum zwischen 21 Uhr und 6 Uhr erbracht wurden. Der Kläger machte mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 einen Anspruch auf vier Tage Zusatzurlaub geltend (Blatt 59 bis 60 d. A.). Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 9. Januar 2008 (Blatt 61 d. A.) den Anspruch ab.
Der Kläger ist der Auffassung gewesen, ihm stehe ein Anspruch auf Zusatzurlaub gemäß § 28 Absatz 3 TV-Ärzte/VKA zu. Der Tarifvertrag definiere nicht, ob Bereitschaftsstunden als geleistete Nachtarbeitstunden auszulegen seien. Im Gegensatz zu der Vorgängerregelung in § 48 a Abs. 6 BAT sehe der TV-Ärzte/VKA nicht vor, dass als Nachtarbeitstunden nur die Arbeitsstunden zu werten seien, die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit geleistet würden. Der TV-Ärzte/VKA habe den BAT, TVöD oder andere Tarifverträge vollständig abgelöst. Im Rahmen des Begriffs der Nachtarbeitstunden sei die Bereitschaftsdienstzeit als Arbeitszeit nach der Rechtsprechung des EuGH auszulegen. Der Erwerb des Zusatzurlaubs sei dem Regenerationsbedarf geschuldet, der aus dem während der Nachtarbeitszeit geleisteten Bereitschaftsdienst entstehe. Bereitschaftsdienst während der Nachtarbeitszeit sei mit Schicht- und Wechselschicht vergleichbar.
In den Tarifverhandlungen sei dies seitens des Marburger Bundes wiederholt deutlich gemacht worden. Nach den Tarifinformationen der Gewerkschaft Ver.di vom 2. Dez. 2005 (Bl. 63, 64 d. A.) sei die Aufnahme dieser Regelung auch in den Redaktionsverhandlungen zwischen Ver.di und VKA streitig gewesen. Zumindest ergebe sich hilfsweise ein Anspruch auf Zusatzurlaub oder entsprechende Vergütung aus den Vorschriften des ArbZG.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, ihm vier Tage Zusatzersatzurlaub für das Jahr 2007 zu gewähren;
- hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziffer 1, die Beklagte zu verurteilen, ihm wahlweise sechs bezahlte freie Arbeitstage zu gewähren bzw. einen Ausgleich für geleistete Nachtarbeitszeit in Höhe von 4.795,03 Euro brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Zusatzurlaub zu. § 28 Absatz 3 TV-Ärzte/VKA habe keine inhaltlich abweichende Regelung zu der Vorgängerregelung im BAT oder der bestehenden Regelung im TVöD treffen wollen. Ein Systembruch zu den Regelungen in der Vergangenheit sei von den Tarifvertragsparteien nicht gewollt gewesen. Ein Anspruch auf Zusatzurlaub könne nur erworben werden, sofern die Bereitschaftszeit während der regelmäßigen Arbeitszeit geleistet worden sei. Die tariflichen Regelungen im TV-Ärzte/VKA differenzierten zwischen der geleisteten Arbeitszeit unter arbeitschutzrechtlichen Bestimmungen und dem reinen Berei...