Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsanspruch und einstweilige Verfügung. Kein Verweis auf Schadenersatz
Leitsatz (redaktionell)
Der Verfügungskläger ist berechtigt, den arbeitsvertraglich bestehenden Urlaubsanspruch im Wege der einstweiligen Verfügung zu sichern. Er muss sich nicht auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verweisen lassen.
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Gießen (Entscheidung vom 20.02.2013; Aktenzeichen 8 Ga 1/13) |
Tenor
Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 20. Februar 2013 - 8 Ga 1/13 - abgeändert und die Verfügungsbeklagte verurteilt, dem Kläger ab Zustellung dieser Entscheidung an 64 aufeinanderfolgenden Arbeitstagen an den Wochentagen Montag bis Freitag Erholungsurlaub zu gewähren.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Verfügungsbeklagte zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin um die Gewährung von Erholungsurlaub.
Wegen des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Gießen vom 20. Februar 2013 gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im zweiten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 7. Mai 2013 (Bl. 108 f d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das am 20. Februar 2013 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts ist zulässig. Das Rechtsmittel ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 Abs. 2, 8 Abs. 2 ArbGG). Der Verfügungskläger hat es auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 519, 520 ZPO, 46 Abs. 1 ArbGG).
II.
Die Berufung ist begründet.
1.
Der Anspruch des Verfügungsklägers gegen die Verfügungsbeklagte auf Gewährung von Erholungsurlaub in unstreitiger Höhe von 64 Arbeitstagen folgt aus Ziff. 5. des Anstellungsvertrags der Parteien vom 29. August 2006 i.V.m. § 7 BUrlG. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG sind bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Derartige betriebliche Belange oder entgegenstehende Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer sind nicht ersichtlich.
2.
Ein Arbeitnehmer darf seinen Urlaubsanspruch nach den §§ 935, 940 ZPO, 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen. In Rechtsprechung und Literatur ist überwiegend anerkannt, dass, um einem Arbeitnehmer einen effektiven Rechtsschutz gegen den Arbeitgeber zu gewährleisten, bei Vorliegen einer besonderen Eilbedürftigkeit die einstweilige Verfügung zuzulassen ist, die den Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer für einen von ihm gewünschten Zeitraum Urlaub zu gewähren (vgl. beispielsweise BAG, Beschluss vom 22. Januar 1998 - 2 ABR 19/97 - AP BGB § 626 Nr. 115; LAG Rheinland-Pfalz vom 05. April 2007 - 9 SaGa 8/07 - dok. in JURIS; LAG Hamm vom 09. Juni 2004 - 18 Sa 981/04 - dok. in JURIS; ErfK/Dörner, § 7 BUrlG Rz. 32). Angesichts der Erfüllungswirkung ist allerdings der Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Ausnahmefälle beschränkt. Ggf. hat eine Abwägung mit den entgegenstehenden dringenden betrieblichen Gründen des Arbeitgebers zu erfolgen.
Gemessen hieran ist die Verfügungsbeklagte verpflichtet, dem Verfügungskläger den gewünschten Erholungsurlaub zu gewähren. Der Verfügungskläger ist berechtigt, den arbeitsvertraglich bestehenden Urlaubsanspruch im Wege der einstweiligen Verfügung zu sichern. Er muss sich nicht auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verweisen lassen (Hess. LAG vom 31. Oktober 2011 - 7 SaGa 1065/11 - n.v.). Entgegenstehende dringende betriebliche Gründe der Verfügungsbeklagten oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die ggf. den Gegenstand einer Abwägung mit den Interessen des Verfügungsklägers bilden könnten, bestehen nicht. Die Verfügungsbeklagte hat keine dieser Einwendungen erhoben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Danach hat die Verfügungsbeklagte als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben, § 72 Abs. 4 ArbGG.
Fundstellen