Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung in Deutschland tätiger Arbeitnehmer einer selbständigen Schweizer Niederlassung bei der Berechnung der Mindestbeschäftigtenzahl gem. § 23 Abs. 1 KSchG
Leitsatz (amtlich)
In Deutschland tätige Arbeitnehmer einer selbständigen Schweizer Niederlassung, für deren Arbeitsverträge die Geltung Schweizer Rechts vereinbart ist, sind bei der Berechnung der Mindestbeschäftigtenzahl des § 23 Abs. 1 KSchG nicht mitzuzählen, auch wenn die Rechtswahl angesichts der Kündigungsfreiheit in der Schweiz bei ordentlichen Kündigungen gem. Art. 30 Abs. 1 EGBGB (Art. 8 Rom I-VO) partiell unwirksam ist und auf diese Arbeitsverhältnisse § 1 KSchG Anwendung findet.
Normenkette
KSchG § 23 Abs. 1, § 1; EGBGB Art. 30; EGV 593/2008 (Rom I-VO) Art. 8
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 23.04.2014; Aktenzeichen 17 Ca 7907/13) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. April 2014 - 17 Ca 7907/13 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses und einen Wiedereinstellungsanspruch.
Der am xx.xx.1969 geborene Kläger war seit 1. Juli 2007 als Sales- und Marketingmanager bei der AXXX GmbH, beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde ab dem 1. Juli 2009 mit der Beklagten fortgeführt. Er verdiente EUR 7.900 brutto im Monat. Auf den Arbeitsvertrag vom 22. Dez. 2009 wird Bezug genommen (Bl. 25 ff. d. A.).
Mit Schreiben vom 28. Okt. 2013 (Bl. 34 ff. d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis dem Kläger gegenüber zum 31. Dez. 2013.
Im Jahre 2009 erwarb die Beklagte von ihrer Schwestergesellschaft AXXX GmbH mit Hauptsitz in BXXX die Sparte Industriestoffe. Zum Zeitpunkt des Erwerbs beschäftigte diese mindestens 14 Personen, außer dem Kläger Herrn CXXX bis zum 30. April 2009, Herrn DXXX bis zum 31. Jan. 2011, Herrn EXXX bis zum 31. Dez. 2011, Frau FXXX , Frau GXXX bis zum 30. Okt. 2010, Frau HXXX bis zum 30. Nov. 2011, Herrn IXXX bis zum 30. Juni 2010, Frau JXXX bis zum 31. Dez. 2011, Frau KXXX bis zum 30. Okt. 2010, Frau LXXX bis zum 30. April 2013, Frau MXXX , Herrn NXXX und Herrn OXXX. Die Beklagte erwarb auch die Niederlassung der AXXX GmbH in der Schweiz. Diese ist als selbständige Niederlassung PXXX GmbH in das Handelsregister des Kantons Genf eingetragen. Sie wird vom Niederlassungsleiter QXXX geleitet, der allein verantwortlich für die Einstellung und Entlassung von Personal in der Niederlassung ist. Neben ihm sind noch weitere elf Arbeitnehmer beschäftigt. Ihre Gehälter werden von der schweizer Niederlassung gezahlt, die eine eigene Lohnbuchhaltung und Verwaltung hat. Die bei der schweizer Niederlassung angestellten Mitarbeiter NXXX und MXXX sind als Kostenstelle der schweizer Niederlassung zugeordnet (cost center 51xxx und 55xxx).
Die Beklagte beschäftigte zum Kündigungszeitpunkt in ihrem Betrieb in Deutschland außer dem Kläger jedenfalls neun Arbeitnehmer (R, F, S, T, U, V, W, X, Y). Die Herren ZXXX und AA waren als Geschäftsführer eingetragen.
Der Kläger ist mit seiner am 30. Okt. 2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Kündigungsschutzklage der Auffassung gewesen, die Kündigung sei nicht sozial gerechtfertigt. Das Kündigungsschutzgesetz finde Anwendung. Der Kläger hat hierzu gemeint, aus den Geschäftsberichten 2009 bis 2012 (2010 Bl. 61 ff., 2012 Bl. 81 ff. d. A.) ergebe sich eine durchschnittliche Mitarbeiterzahl von mehr als 26. Bei der Bemessung der Betriebsgröße seien auch die Arbeitnehmer der schweizer Niederlassung zu berücksichtigen. Er hat behauptet, Herr NXXX und Frau MXXX würden in der Hauptniederlassung der Beklagten in BXXX beschäftigt und würden von Deutschland aus den gesamten europäischen Markt bearbeiten. Vor dem Hintergrund einer Stellenanzeige der Beklagten (Bl. 90 ff. d. A.) für einen Sales Assistent habe er jedenfalls einen Anspruch auf Wiedereinstellung.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 28. Okt. 2013 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat;
- die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung als Sales & Marketing Manager zu beschäftigen;
- für den Fall des Unterliegens mit dem Kündigungsschutzantrag die Beklagte zu verurteilen, das Angebot des Klägers auf Wiedereinstellung mit Wirkung ab dem 1. Jan. 2014 als Sales Assistent zu den bei der Beklagten üblichen Arbeitsbedingungen mit einer Jahresvergütung in Höhe von EUR 95.000 unter Anrechnung einer Betriebszugehörigkeit seit dem 1. Juli 2007 anzunehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, die Mitarbeiter der schweizer Niederlassung, der auch Frau MXXX und Herr NXXX angehörten, seien nicht in die Berechnung der Beschäftigtenzahl mit einzubeziehen. Beide erh...